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Kultur: Kommt alle wieder!

Galeristen, Museumsleute und Kulturpolitiker wollen eine gemeinsame Marke für Berlin setzen. Die Stadt soll international wieder an Attraktivität für Künstler und Käufer gewinnen.

In diesem Herbst gibt es vier Messen, nur den im vergangenen Jahr zu Grabe getragenen Hauptdarsteller Art Forum gibt es nicht mehr. Was sprach eigentlich dagegen, das Art Forum im Kunstherbst 2012 zu reanimieren?

KRISTIAN JARMUSCHEK: Wir sind als Preview Berlin selber eine Messe und waren daher an einer Initiative für die gesamte Berliner Kunstszene interessiert. Es gab eine Gruppe ehemaliger Art-Forum-Teilnehmer, die sich einen Neustart wünschten. Die Messe Berlin hat sich zwar offen für neue Konzepte erklärt, die es am Ende aber nicht gab.

JOANNA KAMM: Die Gesellschafter der Messe Art Berlin Contemporary haben sich schon früh mit dem Kultur-Staatssekretär André Schmitz getroffen. Vonseiten des Senats hieß es sofort, dass die Reanimierung des Art Forums keinen Sinn habe. Die Frage lautete vielmehr: Was können wir aus der Situation machen?

MORITZ VAN DÜLMEN: Die Frage stellte sich nicht, weil es keinen großen Messeveranstalter gab, der Interesse an der Durchführung des Art Forums gehabt hätte. Eine solche Messe hat ein enormes Investitionsvolumen.

MARIUS BABIAS: Die Frage ist eher kulturhistorisch als -politisch zu beantworten. Wenn man Berlin seit der Wiedervereinigung als Stadt der Brüche, Umbrüche und Aufbrüche versteht, dann war wohl ein erneuter Aufbruch nötig. Das hat die unterschiedlichen Akteure an einen Tisch gebracht, um ein neues Format zu entwickeln, statt eine Antwort auf eine nicht mehr aktuelle Frage zu geben. Wenn der Markt das Art Forum nicht wünscht, weshalb soll man dann in alte Muster verfallen. Es ist besser, man nutzt die Ressourcen und bündelt sie auf andere, experimentelle Weise.

Ist der Wegfall der Kunstmesse für Berlin eine Schlappe oder Chance?

KAMM: Vor allem ist er eine Herausforderung. Es war ein bewegendes Erlebnis, als die Direktoren der Nationalgalerie, Kunstwerke oder des Neuen Berliner Kunstvereins und die Vertreter von Kulturprojekte, Preview und abc mit dem Kultur- und Wirtschaftssenat zusammensaßen und spürten: Da ist eine Wille, sich unter dem Dach der Berlin Art Week zu vereinen und gemeinsam etwas zu organisieren.

BABIAS: Von meiner Seite aus kann ich nur sagen: Es ist ein Zugewinn. Wenn man sich die Situation davor vergegenwärtigt, dann standen die merkantilen Interessen ganz berechtigt im Vordergrund. Jetzt gibt es eine neue, interessante Mischung, für die sich die kulturellen Akteure über alle Grenzen hinweg zusammenschließen. Darin liegt nicht nur eine Qualität. Das ist auch ein kleiner Paradigmenwechsel.

Aber es sind weiterhin zwei Messeformate beteiligt, die Kunst verkaufen. Haben kulturelle Institutionen wie Ihr Kunstverein plötzlich keine Berührungsängste mehr?

BABIAS: Es sind nicht die Hemmschwellen zwischen dem kommerziellen und öffentlichen Sektor niedriger geworden, sondern es geht um die gemeinsame Setzung einer neuen Marke. Das Ziel ist die Steigerung des öffentlichen Interesses für die Stadt.

JARMUSCHEK: Klar, die Situation ist neu, daher gibt es noch Berührungsängste. Aber das Wichtigste ist, dass der „Infight“ aufgehört hat. Im vergangenen Herbst haben wir gesehen, wohin Egoismen und gegenseitiges Belauern führen. Wenn wir nur zuschauen, wie die Dinge kaputtgehen, verlieren alle.

VAN DÜLMEN: Als das Art Forum wegbrach, wurde deutlich: Es geht nicht nur um den Marktplatz, sondern das Image Berlins, den Kunstort und die Kulturstadt insgesamt. Von daher ist die Berlin Art Week eine Chance mit neuen Partnern. Jetzt entsteht ein Programm, das wirklich zu Berlin passt.

KAMM: Als Galeristin kann ich aus Erfahrung sagen, dass wir immer schon eng mit den Institutionen zusammengearbeitet haben. Die abc ist auch in der Vergangenheit auf einzelne Institutionen zugegangen. Es fehlte aber eine Struktur, um alles zu bündeln. Da brauchte es schon jemanden wie die Staatssekretäre Schmitz und Christoph von Knobelsdorff und ihre Aufforderung zum runden Tisch.

JARMUSCHEK: Viele Kooperationen, die jetzt in die Berlin Art Week einfließen, hatten wir als Preview Berlin in den vergangenen Jahren bereits entwickelt. Der Vorteil besteht jetzt darin, dass sich alle Partner auf Augenhöhe begegnen und wir zusammen Berlin abbilden. Jeder ist aufgerufen, das Beste zu präsentieren.

VAN DÜLMEN: Wir haben gemeinsam den Grundstein für eine langfristige Kooperation gelegt. Das ist zugleich ein Versprechen, das man an die internationalen Märkte sendet: Mit der Berlin Art Week ist ein Kunsthöhepunkt in der Hauptstadt gesetzt, im September fährt man nach Berlin. Das verweist in die Zukunft.

BABIAS: Man sollte nicht das Innovative an diesem Format übersehen. Wenn man davon ausgeht, dass ein kultureller Markt durch die drei Faktoren Produktion, Repräsentation und Konsumption gekennzeichnet ist, dann war das alte Format nicht mehr im Gleichgewicht. Für die Institutionen ist die Repräsentation wichtiger, für die Galerien der Verkauf. Was wir teilen, ist die erste Prämisse: den Produktionsstandort Berlin. Er ist so reichhaltig, dass es nun um die Frage geht, wie man die Akteure fair bedient. Und nicht darum, sich die alten Zustände zurückzuwünschen, die auf einem überholten Zeitgeist fußen.

Was für einen Besucher soll die Berlin Art Week anziehen?

KAMM: Das Publikum soll so heterogen wie möglich sein. Natürlich hoffen wir, dass Sammler und Kuratoren die Stadt wieder attraktiver finden. Darüber hinaus aktiviert jeder Teilnehmer unter dem Dach der Berlin Art Week andere Besucher.

JARMUSCHEK: Vor allem sollen alle die wiederkommen, die in den letzten Jahren den Kunststandort Berlin international ermöglicht haben. Im letzten Herbst wurde längst nicht so viel Englisch gesprochen wie zuvor. International ist 2011 einiges weggebrochen. Es gab weniger Rückmeldungen und häufiger den Kommentar: Warum soll ich nach Berlin kommen? Es findet doch gar nichts mehr statt. Die Berlin Art Week ist nun die gute Nachricht.

KAMM: Mir geht es nicht nur um die internationalen Besucher, sondern auch um den Zugewinn neuer Leute wie junger Berliner, die die Institutionen und die abc erstmalig entdecken.

Für die anreisenden Aussteller aber muss sich die Messe rechnen, sonst kommen sie nicht wieder.

JARMUSCHEK: Wir brauchen Umsatz, keine Frage. Aber den gibt es nur, wenn die internationale Kunstszene es wieder wichtig findet, nach Berlin zu kommen. Nicht nur Sammler, Kuratoren und Journalisten sollen sich eingeladen fühlen, sondern alle, die neugierig sind auf zeitgenössische Kunst

KAMM: Wir müssen unterscheiden: Im Rahmen der abc sehen wir uns in der Verantwortung, es gibt etwa erstmals ein special guest program. Von der Berlin Art Week verspreche ich mir, dass sie den Kunstherbst spannend macht.

Interview: Christiane Meixner

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