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Gerz

© dpa

Konzeptkünstler: Jochen Gerz: Nur die Idee zählt

Monumente sind ihm zu bequem, sie halten nur vom Denken ab. Dem Konzeptkünstler Jochen Gerz zum 70.

Die Debatte darüber, wie Denkmale auszusehen haben, ist eine unendliche. Denn sie entzündet sich weniger am Geschmack als an der grundsätzlichen Frage nach dem Sinn. Einer, der vor vielen Jahren eine sehr eigene Antwort darauf gefunden hat, ist der Konzeptkünstler Jochen Gerz. Er schafft Anti-Denkmale. Er verdeckt sie, er vergräbt sie. Bilder gibt es bei ihm keine. Nur Ideen. Jochen Gerz ist in Berlin geboren. Heute wird er 70 Jahre alt.

Eines seiner bekanntesten Werke ist das Mahnmal gegen Faschismus in Hamburg-Harburg. 1986 stellte er gemeinsam mit der Künstlerin und Ehefrau Esther Shalev-Gerz eine zwölf Meter hohe bleiummantelte Stele auf. Passanten sollten ihren Namen hineinritzen, gleichsam unterschreibend, immer „wachsam zu sein und zu bleiben“. Im Laufe von sieben Jahren wurde die Stele stückchenweise in den Boden versenkt. Bis sie irgendwann endgültig verschwunden war. Monumente sind Gerz zu bequem, sie halten nur vom Denken ab, weil sie dem Einzelnen das Erinnern abnehmen.

1992 hob er auf dem Schlossplatz in Saarbrücken mit der Hilfe von Studenten Pflastersteine aus und beschriftete die Unterseiten mit den Namen aller jüdischen Friedhöfe in Deutschland, die bis vor 1938 noch existiert hatten und setzte sie dann wieder ein. „2146 Steine“ entzog der Gesellschaft nicht nur erneut eine optische Merkhilfe, sie thematisierte das Verschwinden jüdischer Spuren gleich mit. Meistens arbeitet Gerz für öffentliche Auftraggeber in Europa und den USA. So schuf er eine Arbeit für den Ehrenhof des Bundesfinanzministeriums und beteiligt sich mit gleich zwei Kulturhauptstadt-Projekten im Ruhrgebiet. Für „2-3 Straßen“ hat er Autoren nach Duisburg, Mühlheim und Dortmund eingeladen. Sie werden hier ein Jahr lang mietfrei leben und sollen ihre täglichen Beobachtungen aufschreiben, die mithilfe vernetzter Laptops sofort in einen gemeinsamen Text einfließen. Nicht nur jenes Ergebnis gehört nach Gerz’ Verständnis zum Projekt. Schon die Straßen, in denen sie wohnen, sind nun Teil der Kunst.

„Die Teilung der Welt in Künstler und Betrachter gefährdet die Demokratie“, hat Gerz einmal in einem Interview gesagt. Und deshalb realisiert der Künstler konsequent Projekte im öffentlichen Raum, die mit einem Aufruf zur Beteiligung der Bürger starten. Joseph Beuys’ Idee von der „sozialen Plastik“, mit dem er sich 1976 den deutschen Pavillon auf der Venedig-Biennale teilte, wird in einem seiner jüngsten Projekte mehr als offensichtlich. Gerz ist nach über vierzig Jahren in Paris 2008 nach Irland gezogen. In einem Sozialbauviertel von Dublin will er der Bevölkerung eine Stimme geben und fordert sie dazu auf, einen Baum zu pflanzen. „Wenn er sprechen könnte, was soll er dann für dich sagen?“ Die Antwort darauf soll einmal am Fuße des Baumes stehen. 

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