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Der großartige Organist Booker T. Jones.

© Promo

Konzert in Berlin: Der große Tastenwühler Booker T. Jones

Echter Memphis-Brat-Soul, heiß und fettig: Booker T. Jones gibt im Berliner Frannz Club ein mitreißendes Konzert.

Die Hammond-B3-Orgel ist ein irres Gerät. Man kann jede Menge Geräusche damit machen, mit wenig Personal. Leider ist das Instrument ein wenig aus der Mode gekommen, seitdem die meisten Leute nur noch mit dem Keyboard oder der Tastatur ihrer Laptops klappern. Dafür ist Booker T. Jones wieder da, der große Tastenwühler des amerikanischen Pop, einer der letzten Überlebenden der goldenen Soul-Ära, der sich bereits als 17-jähriger Bandleader von Booker T. & The MG’s mit dem Überhit „Green Onions“ von 1962 unsterblich machte.

Mit dem Gitarristen Steve Cropper kreierte er einen völlig neuen Instrumentalsound, der seine besondere Energie nicht zuletzt daraus schöpfte, dass sich die Band aus schwarzen und weißen Musikern zusammensetzte. Als Hausband des legendären Stax-Labels aus Memphis ist sie auf unzähligen Platten von Otis Redding, Wilson Pickett oder Sam & Dave zu hören. Später spielte Booker T. mit Bob Dylan und Neil Young, drückte für Willie Nelson, Elton John und die Punkband Rancid die Tasten und ist seit 2009 wieder voll da, um im Stadium der absoluten Vollreife ein neues Kapitel seiner Karriere aufzuschlagen.

Auf „Potato Hole“ spielte er beseelten Southern-Rock mit den Drive-By-Truckers, bevor er sich für das Grammy-gekürte Album „The Road From Memphis“ mit der Hip-Hop-Band The Roots zu einer Session in New York traf, bei der auch Lou Reed und Sharon Jones mitmischten. Auf seinem neuen Album „Sound The Alarm“ hat sich der Altmeister mit jungen Künstlern wie Mayer Hawthorne oder Estelle zusammengetan. Gleichwohl scheint die Retro-Soul- Generation den Mann noch nicht entdeckt zu haben, wenn man beim Konzert im vollen Frannz Club das Publikum betrachtet.

Manchmal wechselt Booker T. an die Gitarre

Dafür präsentiert sich der 69-jährige Orgelweltmeister als gut gelaunter Entertainer und Gralshüter des traditionellen Memphis-Souls, der mit lässiger Altmännergröße die schärfsten Licks aus den Tasten zwirbelt. Ultracool gebrachte Songs mit eindringlichen Rhythmen und satt bekannten Melodien aus dem Fundus der Popgeschichte. Darunter finden sich die von ihm mitgeschriebene Blues-Hymne „Born Under A Bad Sign“ von Albert King sowie viele Klassiker von den MG’s: „Hip Hug Her“, „Soul Limbo“, „Time Is Tight“ und das früh in der Setlist angesiedelte „Green Onions“, von der exzellenten Begleitband zu neuer Frische getrieben. Auch die Stücke „Fun“ und „66 Impala“ vom aktuellen Album und das instrumental interpretierte „Everything Is Everything“ von Lauryn Hill fügen sich nahtlos ein.

Dazwischen wechselt Booker T. zur Gitarre, singt „Hey Joe“ und „Knockin’ On Heavens Door“, bei dessen Originalaufnahme er mitspielte, Al Green’s „Take Me To The River“ mit Rap-Einlage des Drummers und „I’m A Man“ von Muddy Waters. Im Mittelpunkt steht aber sein minimalistisches Orgelspiel, das noch immer wie ein Güterzug durch Mark und Bein rauscht. Der Bandleader gibt den Ton vor, seine Band folgt ihm aufs Wort und bahnt sich feierlich krachend den Weg nach Memphis, mit einem funky Schunkel-Groove, der unwiderstehlich ans Tanzbein kickt und von der Rhythmus-Sektion schnurgerade auf Kurs gehalten wird, während der Gitarrist bei seinen Soli manchmal etwas rauslässt, was er lieber dringelassen hätte.

Wo zum Teufel ist Steve Cropper? Geschenkt. Kommt hier doch zum Tragen, was dieses Konzert so besonders macht: die Gnade, diesen Jahrhundertmusiker noch einmal erleben zu dürfen. Wie er in sich gekehrt den Tönen nachforscht und wie kein anderer aus der Hammond-Orgel eine innere Wärme aufsteigen lässt. Nach zwei Stunden rufen wir begeistert „Zugabe!“, nicht nur, weil diese Musik die Seele des US-Südens zum Schwingen bringt, sondern auch, weil noch so vielen Menschen zu sagen bleibt, was ihnen entgeht, wenn sie Booker T. Jones nicht gesehen haben: das Original. Echter Memphis-Brat-Soul: heiß und fettig. Die allerfeinste Sorte. Und Booker T., der uns von der Bühne schief anblinzelt, scheint zu sagen: Nimm dir eine Schippe davon, sie wird dir schmecken.

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