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Van Morrison

© Davids/Scherf

Konzerte: Der Blues heilt alle Wunden

Van Morrison beglückt seit über 40 Jahren sein Publikum sein Publikum. Auch im Berliner Tempodrom waren seine Fans hingerissen.

George Ivan Morrison, der kleine Pummelmann im grauen Anzug, mit grauem Hut und dunkler Brille, hat sein Altsaxofon vor dem Bauch hängen, geht nach vorn ans Mikrofon, tutet ein paar metallische Tonfolgen, swingt sich ein mit seiner Band, singt „This Love Of Mine“, die alte Sinatra-Nummer. Noch schwimmt es etwas im vollbesetzten Tempodrom. Wie ist er drauf? Welche Songs wird er singen? Wird es ein gutes Konzert oder eins der mittelmäßigen, die bei Morrison dann immer noch weit über dem Durchschnitt vieler Sangeskollegen liegen?

Alles ist eng zusammengestellt: Verstärker, Instrumente in der Mitte der großen Bühne, deren Breite und Tiefe nicht annähernd genutzt werden. Gedrängt steht Morrison mit seinen Musikern in einem kommunikativen Halbkreis, und sie jazzeln munter drauflos. Jeder dreht erstmal eine Solorunde: Trompete, Pedal Steel, Gitarre, Geige, Bass, Hammond B3 und zwei Schlagwerker mit kleinem Besteck. Die Kräfte beginnen sich zu bündeln im langsamen Soul von „Magic Time“, meditative Konzentration stellt sich ein.

Die ehemals zurückhaltend-ruhige Ballade „Have I Told You Lately“ wird zu fingerschnippendem Swing, nimmt gewaltig Fahrt auf mit einem famosen Pedal-Steel-Solo der quirligen Sara Jory. Und schon hängt sie sich eine Dobro um und der Violinist Tony Fitzgibbon eine Mandoline, fast die ganze Band spielt jetzt rein akustisch, „Playhouse“, der Sound wird immer besser, idealer Hintergrund für Morrisons Gesang, der immer freier zu atmen beginnt. Mit dieser unvergleichlichen Phrasierung, rhythmischen Tupfern, melodischen Schlenkern, silbrigem Scat, kurzen Seufzern, spiraligen Wiederholungen lyrischer Textzeilen, Sprechgesang. Einige Songs vom neuen Album „Keep It Simple“, dessen Titel für Morrison schon immer Credo war. Mag sein, dass er im persönlichen Umgang kein einfacher Mensch ist, aber die Einfachheit musikalischen Ausdrucks hat ihn fasziniert seit seiner Kindheit. Blues, keltische Folkmusik, Soul, Country. Mit seiner legendären Belfaster Band Them hat er schon in den frühen Sechzigern dreckigen Rhythm & Blues gespielt und konnte den Animals und Rolling Stones mühelos das Wasser reichen, auch deren Sängern Eric Burdon und Mick Jagger.

Im Gegensatz zu Mick hat sich Van nie um spezielle Imagepflege geschert, auch nicht um die Anforderungen der Musikindustrie, die Erwartungen seiner Fans. So konnte der inzwischen 62-jährige in den über 45 Jahren seiner Karriere nie besondere Chart-Erfolge verbuchen, obwohl er mit seiner bahnbrechenden Verschmelzung von Blues, Jazz und Folk etwas völlig Neues geschaffen hat, etwa mit dem sensationellen und wegweisenden Album „Astral Weeks“ von 1969.

Im ersten von zwei Berliner Konzerten haben die treuen Fans das außerordentliche Glück, einen der herausragenden Auftritte Van Morrisons zu erleben. Mit besonders guten Begleitmusikern, die sich in ihrer Spielfreude gegenseitig befeuern. Der Chef lässt ihnen viel Spielraum zur Entfaltung, der Zuhörer spürt, was für einen enormen Spaß alle haben. Nichts scheint einzuengen. Grenzenlose musikalische Freiheit. Ein ganz besonderer Zauber. Wenn die Orgel dröhnt, der Keyboarder zur Trompete wechselt und mit Morrison glitzernde Duette bläst, wenn Sara Jory rasant auf dem Banjo plickert, John Platania elegante Tonreihen auf der Gibson ES 335 klacken lässt, die drei Chorsängerinnen in inniger Harmonie gospeln.

Da strahlt auch ein älterer, unzählige Male gehörter Song wie „Moondance“ in neuer Frische. „Precious Time“ huldigt dem großen Idol Sam Cooke, dessen „Good Times“ in Morrisons Song anklingt. Für sein anderes Vorbild, Ray Charles, singt er dessen „I Can't Stop Loving You“ und spielt ein bisschen Piano zwischendrin. Ganz nebenbei zeigt er auch noch, was für ein hervorragender Instrumentalist er ist. An Altsaxofon, Ukulele, Gitarre, Klavier und Mundharmonika. Nach eineinhalb Stunden verabschiedet sich Morrison von seinen hingerissen tobenden Fans: Dankeschön, sagt er und singt: „And When The Healing Is Done“. Ja, es hatte etwas Heilendes, Erleuchtendes, Beglückendes.

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