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Ivan Fischer.

© dpa

Konzerthausorchester: Ivan Fischer: Ein Mann für lange Beziehungen

"Ich dirigiere nur Werke , zu denen ich auch den Schlüssel habe.": Ivan Fischer wird neuer Chefdirigent des Konzerthausorchesters – und Programmmacher.

Nein, sein Name war keine Überraschung mehr, dafür ziehen sich die Verhandlungen mit Ivan Fischer einfach schon zu lange hin. Dass sein Vertrag nach zweijährigem Tauziehen nun tatsächlich in den nächsten Tagen unterschrieben werden kann, ist dennoch ein Coup. Mit dem ungarischen Dirigenten bekommt das Konzerthausorchester einen international gefragten Chef, der als erfolgreicher Orchestererzieher und Programminnovator weder zum Klassik-Jetset noch zum Kulturbeamtentum zählt. Ihn für das Konzerthaus zu gewinnen, war nicht der Erfolg der Berliner Kulturpolitik, die zunächst auf eine Vertragsverlängerung mit Lothar Zagrosek setzte, sondern der gemeinsamen Bemühungen von Orchester und Intendant Sebastian Nordmann. „Hartnäckig“ seien sie dabei gewesen, attestiert Kultur-Staatssekretär André Schmitz.

Ein historischer Moment: Zum ersten Mal seit dem Mauerfall fühlt sich das Orchester ohne kulturpolitischen Existenzdruck bei der Suche nach einem neuen Chef, wie Orchestervertreter Ernst-Burghard Hilse betont. „Wir sind inzwischen ein sehr junges Orchester. Mit seinem Budapest Festival Orchestra hat Ivan Fischer bewiesen, dass er ein junges, hochmotiviertes Ensemble in die internationale Spitze führen kann.“ An seine Leistungsgrenzen geführt zu werden, das erhofft sich auch das Konzerthausorchester von seinem neuen Chef. Ein Wunsch, der Ambitionen signalisiert und Eindruck bei Fischer hinterließ, ebenso wie die Einladung zu einem gemeinsamen Probentag in Berlin.

Bis dahin kannte Ivan Fischer sein künftiges Orchester nur aus Gesprächen, vor allem mit dem Ehrendirigenten des Ensembles, Kurt Sanderling. Doch die müssen Spuren hinterlassen haben, auch bei Sanderling. „Ich kann mir keinen Besseren wünschen als ihn“, ließ der 98-Jährige ausrichten, der für die Musiker des Konzerthausorchesters noch immer eine Instanz ist und ein Gradmesser für musikalische Integrität. Viele hoffen darin mit Ivan Fischer einen Nachfolger gefunden zu haben. In großer Besetzung stehen sie bei der Vorstellung ihres neuen Chefs hinter den Journalisten und applaudieren dem Mann, der entspannt, selbstbewusst und mit feinem Humor mit jedem Satz mehr für sich einnimmt: „Karriere interessiert mich überhaupt nicht, lange Beziehungen interessieren mich. Wenn es gut läuft in Berlin, kann es sehr lange andauern. Wenn nicht, bin ich der Erste, der sagt: Leute, das hat keinen Sinn.“

Dass er dabei vorschnell den Stab sinken lässt, ist nicht zu erwarten. Vor 27 Jahren hat Fischer sein Budapest Festival Orchestra gegründet – mittlerweile kenne man sich ein bisschen. Immerhin so gut, dass das privat organisierte Orchester nicht nur als Botschafter Ungarns anerkannt ist, sondern auch zu den besten Klangkörpern weltweit gezählt wird.

Etwas vom Wunder von Budapest will auch Berlin erleben, das Fischer als die große Musikmetropole sieht. Dazu gehört auch, das er nicht nur Chefdirigent, sondern zugleich auch Musikchef des Konzerthauses wird, Programmmacher zusammen mit Intendant Nordmann. In Budapest dirigiert Fischer Kakao-Konzerte für Kinder, lädt zu Überraschungskonzerten ohne angekündigtes Programm, initiiert und moderiert Open-Air-Aufführungen. All das passt an den Gendarmenmarkt und zur Programmatik des Intendanten, der sein Haus noch weiter öffnen, neues Publikum gewinnen will.

Somit könnte Fischers Engagement tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur Neupositionierung des Konzerthauses leisten. Zumal der Maestro genau weiß, was er kann und was nicht. „Ich dirigiere nur Werke, zu denen ich auch den Schlüssel habe. Die anderen überlasse ich gerne den Kollegen.“ Wer das sein soll, davon hat Fischer genaue Vorstellungen. Als ersten Gastdirigenten holt der Altmeister Dmitrij Kitajenko an Haus, der auch die kommende Saison eröffnen wird.

Obwohl sein Vertrag erst 2012/2013 für zunächst drei Jahre beginnt, dirigiert Ivan Fischer das Konzerthausorchester bereits ab Oktober an sechs Abenden: mit den Echo-Preisträgern, als Moderator eines spontan angesetzten Überraschungskonzerts, mit Mahlers Dritter und einem Mozart-Bartók-Brahms-Programm. In seiner ersten Saison will er dann 18 Konzerte am Gendarmenmarkt dirigieren. Klasse statt Masse. „Man muss ehrlich sein, so musizieren, dass man mit sich selbst in Harmonie ist, und das mit dem Publikum teilen“, lächelt der Menschen-Fischer. „Alles dreht sich um die innere Überzeugung.“ Die Musiker applaudieren herzhaft, das Konzerthaus spendiert ungarische Salami – für eine Taktik, die aufging.

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