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Kultur: Kraftzeichen

Ornament-Ausstellung in der Kunstbibliothek

Kaum ein architekturtheoretischer Text hat sich so verselbstständigt wie Adolf Loos’ Aufsatz über „Ornament und Verbrechen“. In ihm postulierte der streitbare Architekt Ornamentlosigkeit als „ein Zeichen geistiger Kraft“. Das hat seit der Wende zum 20. Jahrhundert zwar keineswegs zum vollständigen Verzicht geführt, doch zu einem Verlust an Wissen über das Ornament. Wer etwa kennt noch die wichtigsten Säulenordnungen, weiß die „männliche“ dorische Ordnung von der „weiblichen“ ionischen zu unterscheiden? Oder erinnert sich an die von Vitruv überlieferte Anekdote, wie die korinthische Ordnung entstand? Ganz einfach: Auf dem Grab einer jungen Korintherin stand ein Korb mit Spielsachen, darauf lag als Witterungsschutz eine Platte, unter der sich Akanthusblätter wellten.

Hier bietet Bernd Evers’ Ausstellung „Ornament und Architektur“ eine Sehhilfe. Die Schau des langjährigen Kunstbibliothek-Direktors stellt zahlreiche Blätter aus der Ornamentstichsammlung seines früheren Hauses vor, von der Renaissance bis zur Schinkelzeit. Ihren Grundstock bildet die Ende des 19. Jahrhunderts angekaufte Sammlung des französischen Architekten Hippolyte Destailleur. Wie die meisten seiner Kollegen nutzte Destailleur die Säulen- und Kapitellstudien als Vorlagen für eigene Bauten. Ursprünglich nicht als Schmuckblätter gedacht, erweisen sich die ausgestellten Ornamentstiche nun als äußerst schmückend. Jürgen Tietz

Kunstbibliothek, Kulturforum, bis 25. 11., Katalog 14,80 €

Jürgen Tietz

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