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Kultur: „Krisen interessieren mich“

Vom Regisseur zum Kontrolleur: Stefan Rosinski ist mit 45 Jahren der neue Generaldirektor

Wenn sich die Berliner Opernintendanten den idealen Besucher backen könnten, er würde wohl so ähnlich aussehen wie Stefan Rosinski. Bildungsbürgerlicher Hintergrund, Kenner des Genres und doch offen für alles Neue, als studierter Betriebswirt sensibilisiert für die finanziellen Zwänge des Kunstmachens – und vor allem mit seinen 45 Jahren ein Vertreter jener Zielgruppe, die ganz besonders schwer ins Musiktheater zu locken ist.

Ein Abonnement wird man Stefan Rosinski dennoch kaum verkaufen können – ab heute ist er nämlich Generaldirektor der Stiftung „Oper in Berlin“. Keine 14 Monate, nachdem er als Geschäftsführer zur neu geschaffenen „Bühnenservice GmbH“ aus Hannover nach Berlin abgeworben worden war, übernimmt Rosinski nun auch noch den Chefsessel der Stiftung. Einerseits ein ganz normaler Vorgang, sieht doch das Stiftungsgesetz vor, dass bei einem vorzeitigen Abgang des Amtsinhabers der Leiter des Bühnenservice kommissarisch die Führung übernimmt. Andererseits ein Politikum, weil Vorgänger Michael Schindhelm den Bettel wegen mangelnden Rückhalts bei der Politik hingeschmissen hatte. Vor allem aber ein enormer Karrieresprung für Rosinski.

Seit seinem 15. Lebensjahr ist er bekennender Opernfan: „Als Teenager war ich fest davon überzeugt, dass man unbedingt schon morgens vor der Schule lautstark Arien hören müsse“, erzählt der gebürtige Flensburger. „Meine Brüder waren da anderer Meinung.“ Nach dem Abi bewirbt sich Rosinski an der Hamburger Musikhochschule, um bei Götz Friedrich Musiktheaterregie zu studieren, wird angenommen und taucht begeistert ein in die Welt hinterm roten Samtvorhang. Umso härter fällt die Desillusionierung beim ersten Engagement als Abendspielleiter am Aalto-Theater Essen aus: Nach einer Saison Bühnenalltag schmeißt er den Job, geht zurück nach Hamburg – und wird Werbetexter bei einer Agentur: „Hier habe ich gelernt, wie Kommunikation funktioniert – als ich mit meinen Abhandlungen im Uni-Stil ankam und man mir sagte: So, und jetzt dampfst du das Ganze mal auf einen prägnanten Satz zusammen.“ Parallel beginnt Rosinski, Kritiken zu schreiben und fängt 1991 als Assistent bei der späteren Kulturstaatsministerin Christina Weiss im Hamburger Literaturhaus an. Die städtische Bürgergesellschaft, die er hier kennenlernt, prägt ihn. Fasziniert beobachtet er, wie die Kulturinstitution als öffentliches Forum verstanden wird: „gleichzeitig Ort der Demokratie wie der Repräsentation“.

Ab 1993 steigt Rosinski dann als Regisseur und Schauspieler in die freie Theaterszene ein, inszeniert Pasolinis „Orgia“ auf Kampnagel, „Salome“ von Nick Cave im Berliner Tacheles. „Plötzlich musste ich Verträge machen, der Kulturbehörde Abrechnungen über die verwendeten Fördermittel abliefern – und merkte, dass mich der Gesamtprozess künstlerischen Arbeitens interessierte.“ Zunächst schlägt er aber eine weitere Volte auf seinem Berufsweg, wird Storyliner bei der TV-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, gibt an der Uni Kurse zu theaterwissenschaftlichen Themen.

„Irgendwann bin ich dann zur Berufsberatung gegangen“, erzählt Rosinski weiter, „und da hat man mir gesagt: In Ihrem Qualifikations- Portfolio fehlt nur noch die Ökonomie.“ Also ackert er sich durch ein zweijähriges Intensivstudium an der Hamburger „Fortbildungsakademie der Wirtschaft“, spezialisiert sich auf Controlling und Personalwesen, steigt im April 2003 als Abteilungsleiter Finanzen bei den Niedersächsischen Staatstheatern Hannover ein, wird schon im Oktober 2004 zum Verwaltungsdirektor hochgestuft und setzt erfolgreich eine Sparvorgabe von fünf Millionen Euro bei Oper und Schauspiel um.

Damit empfiehlt er sich nachdrücklich für den Berliner Job – soll doch durch die Zusammenlegung der Bühnenbild- und Kostümwerkstätten von Komischer Oper, Staatsoper und Deutscher Oper der Löwenanteil beim Personalabbau erbracht werden.

„Betriebswirtschaft ist kreativ, weil sie nie am Erhalt des Status quo interessiert ist“, postuliert Stefan Rosinski beim Gespräch in seinem bescheidenen Bühnenservice-Büro in der Chausseestraße. „Erfolgreich ist nicht jemand, der Ideen hat, sondern der sie umsetzt.“ Rosinski scheint entschlossen, es nicht bei Visionen zu belassen. In diesem Punkt unterscheidet er sich am deutlichsten von seinem Vorgänger – auch wenn Schindhelm und er einen guten Draht hatten, wegen ihrer Liebe zu Philosophie und Literatur.

Die hauptstädtische Opernstiftung interessiert Rosinski als „innovativer Prototyp“ – die Möglichkeit des Scheiterns eingeschlossen. Darum findet er es auch in Ordnung, dass sein Vertrag als Generaldirektor nur „bis auf Weiteres“ läuft und von beiden Seiten kurzfristig kündbar ist. Sein Credo hat er sich bei Heiner Müller geliehen, der 1995, befragt zu irgendeiner längst vergessenen Theaterkrise, antwortete: „Was heißt hier Krise des Theaters? Theater ist Krise!“

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