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Kultur: Krötentöne

Cameron Carpenter und das DSO beim Musikfest

Mit Spannung wurde sein Auftritt beim Musikfest erwartet, seine Neuinterpretation dessen, was heute ein Klassikstar an der Orgel sein kann. Cameron Carpenter befreit sein gewaltiges Instrument vom Gottesdienst, schwingt sich auf zu flirrendem Virtuosentum in selbstentworfenen Strasshemdchen. Des nachts übt der 30- jährige Neuberliner in dunklen Kirchen oder feilt an seiner Erfindung einer Digitalorgel. Denn die heiklen alten Instrumente liebt er nicht. Das spürt man in der Philharmonie. Carpenters Adaption von Liszts „La Campanella“ – wiederum die Bearbeitung einer Paganini-Preziose – lässt die Schuke-Orgel wie einen Frosch mit Flatulenz tönen. Eine Hassode, rumpelnd hingefingert: Jahrmarktsgeklingel, das nebenan, an der Wurlitzer-Filmorgel des Musikinstrumenten-Museums, ein kurzer Spaß hätte sein können.

Nach dieser Selbstdemontage des Solisten mimt Carpenter den ergebenen Diener: Den Orgelpart in Saint-Saens’ 3. Symphonie lässt er breit und Harmonie stiftend dahin strömen. Leo Hussain und das Deutsche Symphonie-Orchester haben sich diese Unterstützung wohl verdient. Der aufstrebende Musikchef des Landestheaters Salzburg ist ein umsichtiger, überaus sachbezogener Dirigent, der das DSO zu einem soliden Start in die Konzertsaison führt. Liszts „Zwei Episoden nach Lenaus Faust“ hält er trotz exzessiver Materialabnutzung durch den Komponisten zusammen, mit dunkler, aber nicht unkenntlich machender Klangfarbgebung. Wolfgang Rihms 2. Bratschenkonzert „Über die Linie IV“ stimmt einen überaus edel patinierten bundesdeutschen Gegenwartsmusikton an, den Hussain und das DSO mit besten Kräften nähren. Tebea Zimmermann, die das Werk 2002 auch uraufführte, liebt ihr Instrument so, wie Carpenter seine Gastorgel hasst. In welcher drangvollen Lage sie sich auch befindet, ihr Bratschenspiel bleibt schwebend, verheißungsvoll. Solist muss man auch sein wollen, ob mit oder ohne Strasshemdchen. Ulrich Amling

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