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Kultur: Küchenlieder aus der Gummizelle

THEATER/HÖRBUCH

Wunderbar an diesem ernsten Abend im Berliner Ensemble ist seine Heiterkeit. „Sie fehlt uns“, sagt BE-Dramaturg Hermann Beil. Die Frau, deren Ausnahmeerscheinung hier beschworen wird, ist mit ihrer Schärfe und Poesie, mit ihrer schrillen, zitternden Ehrfurcht vor dem Schmerz und dem Glück des heldenhaften Würmchens Mensch ein Theaterwunderwesen – gewesen. In ihrer „Minna“-Trilogie hat Ortrud Beginnen die Aufstiegs-Abstiegs-Geschichten ihrer unehelichen Ahnfrauen auf das Brettl hintergründigen Entertainments geholt, in der Gummizellen-Gartenlaube deutscher Sehnsüchte hat sie Küchen-, Kunst- und Kitschlieder zur Kenntlichkeit zersungen und die Arien der verlorenen Heimat zerfetzt; sie war der Star am Berliner „Reichskabarett“, schillerte an Stadt- und Staatstheatern als Komödiantin der Extreme.

Zum 65. Geburtstag der Widerborstigen haben Susanne Betancor und Gustav Peter Wöhler das Beginnen-Hörbuch „Lieder und Geschichten aus dem Katastrophenkoffer“ (Roofmusic) und ein Programm entwickelt, mit dem sie an den Lebensstationen der Künstlerin gastieren. Ein Bühnenweihfestspiel, das live (unter Verwendung alter Fotos und subversiver O-Töne) verwegener und rührender wirkt als aus der Tonkonserve; die Hommage an ein Organ, ein Rückgrat, ein Herz - an das Leben gegen den Strich; an die deutsche Provinz, als Kaderschmiede des radikalen Humors. „Ich kann das, was ich sehr ernst meine, nur komisch ausdrücken“, sagt die Tragödin, aus dem Off natürlich. Bei der Hamburger Beerdigung Ortrud Beginnens vor vier Jahren wurde ein implodierender Witz von ihr eingespielt. Jetzt fehlt sie.

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