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Kultur: Küss’ die Hand

Philharmonie: Tanzen mit Argerich und Dutoit

Charles Dutoit: ein geschmeidiger Eintänzer, mit einer Spur Wiener Schmäh. Hand aufs Herz – und den Taktstock locker zwischen Ring- und Mittelfinger geklemmt. Martha Argerich: die Ausdruckstänzerin, Herz auf der Hand – und ihre berühmte Wildheit mit Wehmut gepaart. Das Deutsche Symphonie-Orchester hält innige Zwiesprache, wenn die Pianistin bei Schumanns a-Moll-Klavierkonzert Zorn mit Zartheit und Klangfülle mit Klarheit vermählt, wenn sie im Andantino nach tastenden Schritten in den Hintergrund tritt, um Mischa Meyers schmerzschönem Solocello zu akkompagnieren, und gleich wieder Schwung nimmt, für ein funkelndes Glanzlicht, ein schwebendes Arpeggio oder ekstatisch gemeißelte Oktaven. Auch mit 68 bleibt Martha Argerich eine der ungestümsten Klaviervirtuosinnen unserer Zeit, aber sie stattet ihre Expressivität zunehmend mit betörender Eleganz aus. Formvollendet nimmt sie sich alle Freiheit der Welt; so souverän spielt sonst niemand auf Risiko. In Sekundenschnelle nimmt sie den Druck weg, fliegt über die Tasten und schlägt wieder zu, ohne dass die Stimmung zu schwanken beginnt.

Ein ansteckendes Feingefühl an diesem Tanz-Abend in der Philharmonie. Hatte Dutoit, dieser Meister der mittleren Lautstärke (der einmal mit Argerich verheiratet war), in Webers „Aufforderung zum Tanz“ noch routinierte Runden gedreht, so vereint das DSO in Rachmaninoffs „Symphonischen Tänzen“ das Kapriziöse mit der Kapriole, die Mechanik mit der Melancholie. Der Tanz, zum Naturlaut gewendet, Dur und Moll links gestrickt – und zum bizarr synkopierten Totentanz des „Dies Irae“ dreht das DSO regelrecht ab. Nur der furiose Tanz auf dem Vulkan, Ravels „La Valse“ mit den in Spiegelsplitter zerschlagenen Resten der guten alten Wiener Ballseligkeit, er traut sich nicht ganz in die ultimative Haltlosigkeit, in den Wahn. Christiane Peitz

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