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Flutopfer. Schloss Muskau, 1945 ausgebrannt, war gerade saniert worden. Nun steht es im Wasser.

© dpa

Kulturgüter: Die Flutprobe

Muskau, Görlitz, Marienthal: Das Hochwasser in Sachsen hat auch Kulturgüter zerstört. Vieles war gerade erst saniert worden.

Das Schloss von Bad Muskau ist ein Wasserschloss, zu drei Seiten von einem breiten Graben umfangen. Normalerweise. Am Montag steht das Schloss komplett im Wasser. Der Hochwasserscheitel hat die Stadt an der Neiße am frühen Vormittag erreicht. Überflutet ist nicht nur das Schlossumfeld, sondern vor allem der von Fürst Hermann von Pückler-Muskau angelegte Landschaftsgarten, der sich zu beiden Seiten der gewöhnlich friedlich dahinfließenden Neiße erstreckt. Hier wurde 2004 mit einem Brückensprung die EU-Erweiterung gefeiert. Heute sind der deutsche und der polnische, jenseits der Neiße gelegene Teil des Schlossparks mit einer Fußgängerbrücke verbunden. Der Pückler-Park ist Unesco-Weltkulturerbe. Am Montag informierten sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Sachsens Innenminister Markus Ulbig hier über die Lage.

Bis das Gemäuer und der Park wieder ihre ursprüngliche Gestalt erhalten hatten, war viel Zeit ins Land gegangen. Das 1945 komplett ausgebrannte Schloss Muskau sollte bis 2012 fertig restauriert werden, 2008 war im Südflügel eine Ausstellung zu Fürst Pückler eröffnet worden. Im ehemals verwildeten Park sind Sichtachsen und Rabatten, Brücken und Bänke wiederhergestellt worden. Wie viel davon noch erhalten ist, wird erst nach Abfluss des Wassers zu erkennen sein.

Natur wächst nach, Bauten müssen wiederaufgebaut werden. Das barocke Kloster Marienthal in Ostritz, 1234 gegründet, ist das älteste Zisterzienserinnenkloster auf deutschem Boden und war gerade fertig saniert, so wie überhaupt in dem kleinen Neiße-Städtchen in den letzten Jahren Etliches an historischer Bausubstanz saniert worden ist.

Nun war alles überflutet. Am Wochenende standen die direkt am Neißeufer gelegene Abtei und das internationale Begegnungszentrum auf dem Klostergelände bis zu zwei Meter im Wasser. Die 15 Zisterzienserinnen, die noch im Kloster leben, sind unversehrt, obwohl sie der Aufforderung zum Verlassen ihres Klosters nicht folgten. Sie wichen lieber in obere Stockwerke aus. Die Gäste der Begegnungsstätte hingegen wurden evakuiert. Die inzwischen wieder abgeflossenen Wassermassen beschädigten fast das gesamte Klostergelände, rissen ganze Gebäudeteile sowie Türen und Fenster mit. Inzwischen säubern Nonnen und Helfer mit Besen Flure und Kirchenräume, betrachten mit Sorge die meterhohen Schmutzstreifen, die das Wasser an Wänden, Bilden und Ausmalungen hinterlassen hat. Kirchengestühl und Möbel stapeln sich im Hof. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich begutachtete am Montag die Schäden. Die Verluste sind noch nicht einzuschätzen, werden aber in die Millionen gehen. Ein Spendenkonto ist eingerichtet, unter dem Stichwort „Hilfe für Marienthal“ (Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien, Kontonummer 45 73 04 80 03, BLZ 85 59 10 00).

Das Ausmaß der Zerstörung kennt noch keiner. Noch sind Sachsens Denkmalpfleger mit der Schadenskartierung beschäftigt. Zwei Mitarbeiter der Oberen Denkmalbehörde sind am Montag nach Marienthal gefahren, die Gebietsreferenten der Unteren Denkmalbehörde, die bei den Kommunen angesiedelt sind, wurden in einer Umfrage um Schadensanalysen gebeten. Doch das geht erst, sobald das Wasser abgeflossen ist.

Natürlich gilt es beim Hochwasser, zuerst die unmittelbaren Schäden für die obdachlos gewordenen Bewohner, die zerstörten Häuser, die Infrastruktur wie etwa Bahnverbindungen zu lindern. Doch das Hochwasser trifft in Ost-Sachsen eine kulturell besonders reiche Region, die in den vergangenen Jahren viel Geld in Stadtrestaurierung investiert hat. Auch erweist sich an der Grenzregion in besonderem Maß der europäische Zusammenhalt – im Guten wie im Unglück.

Bestes Beispiel ist das vom Hochwasser dramatisch getroffene Görlitz, dessen bis zur Wende verfallene historische Bauten der Altstadt inzwischen weitgehend restauriert sind. Die malerisch an der Neiße gelegene Grenzstadt mit der hochgelegenen Peterkirche und der durch eine Fußgängerbrücke verbundenen polnischen Partnerstadt Zgorzelec – bis zum Zweiten Weltkrieg ein Vorort von Görlitz – ist mittlerweile eine der touristischen Hauptattraktionen der Region. Hätte die Stadt sich 2006 gegenüber dem Ruhrgebiet durchgesetzt, wäre Görlitz in diesem Jahr Europäische Kulturhauptstadt geworden. Doch Glück im Unglück: Die Altstadt, die einige Meter über der Neiße liegt, ist von der Flutwelle am Samstag weitgehend verschont geblieben. Auch in Zittau war die historische Altstadt kaum vom Hochwasser betroffen, anders als die Neubaugebiete in Zittau-Ost.

Überflutet wurden in Görlitz die historischen Vorstädte wie das Nikolaiviertel mit seinen barocken Bürgerhäusern, ebenso die postkartenbekannte Wasserfront von Zgorzelec. Katastrophentouristen nutzten die 2004 wiedereröffnete Fußgängerbrücke, um von dort aus auf den reißenden Fluss zu blicken. Inzwichen ist man auch hier beim Aufräumen.

Dramatische Folgen wird das Hochwasser für die historischen Holzhäuser in Ostsachsen haben. In Großschönau, wo noch 660 Umgebindehäuser stehen, wurde die Stadt evakuiert. Noch stärker hat es die Städte in den Nachbarländern getroffen, etwa das polnische Bogatynia mit seinen Fachwerkbauten und die Wallenstein-Stadt Frydlant (Friedland), die zweieinhalb Meter unter Wasser stand. Die Dimensionen des Elbehochwassers von 2002 hat die Flut von 2010 nicht, noch nicht. Für die betroffenen Kommunen und ihre Kulturbauten ist das Ergebnis jedoch nicht weniger katastrophal.

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