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Zu DDR-Zeiten ein Ort des Kunstraubs. Schloss Friedenstein in Gotha.

© picture alliance/dpa

Kulturraub in der DDR: Der gestohlene Barockschrank

In der DDR wurden viele Kunstgegenstände enteignet. Jetzt geht ein Forschungszentrum der Geschichte nach.

Ob ein Chanukkaleuchter im Art Deco-Stil oder eine buntbemalte Botanisiertrommel aus dem 19. Jahrhundert: 2037 Stück Kulturgut packten die Museumsmitarbeiter auf Schloss Friedenstein in Gotha 1990 aus den Transportkisten. Erworben hatte man sie direkt aus dem zentralen Sammellager der staatlichen Kunst- und Antiquitäten GmbH in Mühlenbeck nördlich von Berlin, als die staatliche Kunsthandelsorganisation der DDR aufgelöst wurde. Jetzt hat das Museum die heiklen Bestände mit Fotos komplett online gestellt. Denn wie und woher die Objekte in die Fänge der Abteilung Kommerzielle Koodinierung KoKo des Außenhandelsministerium gelangt waren, lässt sich heute nur noch schwer rekonstruieren.

Verlagern, Übertragen, Entziehen

Genau solche Forschungsprojekte will das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste anstoßen. Die 2015 in Magdeburg gegründete Stiftung kümmert sich vorrangig zwar um NS-Provenienzforschung. Aber seit knapp zwei Jahren sind auch die fragwürdigen Praktiken des Kunsterwerbs und -transfers in der SBZ und DDR in den Blick gerückt. 250000 Euro Jahresbudget stehen dafür an Bundesmitteln zur Verfügung. Grundlagenforschung tut not.  Jetzt legten die Projektleiter erste Ergebnisse vor. Am Deutschen Historischen Museum in Berlin steht man, so Brigitte Reineke, noch ganz Anfang. Aber schon jetzt ist klar: Sein Vorläufer, das nationale Geschichtsmuseum der DDR gehörte zu den ganz großen Akteuren im komplexen, staatlich gelenkten System des Verlagerns, Übertragens, Einforderns und Entziehens von Gemälden, Skulpturen und anderen historischen Kulturgegenständen vom Barockschrank bis zum Silberlöffel.

Der Zoll spielte mit

Wo befinden sich überhaupt aussagekräftige Akten, die darüber Auskunft geben können? Die Stasi-Unterlagen-Behörde erstellt derzeit ein Spezialinventar als Findbuch. Vor allem in den Akten von Privatsammlern und Kunsthändlern könnte sich Aufschlussreiches finden. Oft aber war nicht allein die Staatssicherheit federführend bei der unrechtmäßigen Aneignung privaten Kunstbesitzes, sondern auch Steuerfahnung, Zoll und Strafverfolgungsbehörden spielten mit. Auch was Republikflüchtige zurückließen, landete teilweise in den großen und kleinen Museen der DDR. Alexander Sachse vom Museumsverband des Landes Brandenburg schätzt, dass ein bis acht Prozent der Bestände in ostdeutschen Museen fraglicher Herkunft sind. Dies ergibt sich aus einer Fallstudie in vier Bezirks- und Stadtmuseen von Strausberg bis Frankfurt/Oder, wo 200 bis 1500 Objekte pro Museum als Verdachtsfälle identifiziert wurden. Manche davon wechselten gleich 1945 unter Sowjetischer Besatzung im Zuge der Bodenreform ihren Besitzer. Allein in der Provinz Sachsen waren über 2000 Schlösser und Herrenhäuser enteigneter Großgrundbesitzer betroffen. Was dort im zentralen Sammellager auf der Moritzburg Halle vorging, erkundet ein eigenes Forschungsprojekt. 1133 Tonnen Kunstgut listen die Inventare, vieles wird nie zu identifizieren sein. Die rechtlichen Ansprüche auf Rückgabe sind in den meisten Fällen verjährt. Aber, so Jan Scheuermann von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt: "Wer von der Bodenreform spricht, kann über die Rolle der Museen nicht schweigen."

Eine Schlappe für die Stasi

Ein Ergebnis überraschte die Forscher: Als die Stasi 1962 bei der geheimen "Aktion Licht" im ganzen Land Tausende von Schließfächern und Banktresoren öffnete, die seit Kriegsende verschlossen waren, fielen ihr zwar Wertobjekte im Schätzwert von 4,1 Millionen Mark in die Hände. Aber die Verwertung, sprich, der Verkauf in den Westen, gestaltete sich so schleppend, dass der erwartete Devisengewinn in keinem Verhältnis zum Aufwand stand. Das Thema hat auch eine gesamtdeutsche Dimension: Auch in westdeutschen Sammlungen schlummern Objekte mit fraglicher Ost-Provenienz.  

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