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Kunst: Polke-Retrospektive in Baden-Baden

"Labor"-Kunst eines Alchemisten - Das Museum Frieder Burda zeigt in einer großen Retrospektive das Werk von Sigmar Polke.

Baden-Baden - Mit einer großen Polke-Retrospektive will das Museum Frieder Burda von 3. Februar bis 13. Mai ein internationales Kunstpublikum nach Baden-Baden locken. Mehr als 170 Arbeiten von Sigmar Polke aus drei Sammlungen wurden für die Ausstellung zusammengetragen. Die Schau bietet zehn Jahre nach der letzten großen Polke-Retrospektive in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik in Bonn Einblick in alle Schaffensphasen des in Köln lebenden Künstlers. Sie umfasst einen Zeitraum von mehr als vier Jahrzehnten, in den sich Polke stets erfolgreich Versuchen einer Stilzuordnung widersetzt hat.

Polke gehört zweifelsfrei zu den international gefragtesten Künstlern der Gegenwart. Im Ranking der weltweit erfolgreichsten Künstler des Magazins "Capital" findet sich sein Name seit Jahren auf den Plätzen eins bis drei neben Gerhard Richter und Bruce Nauman. Seine Werke erzielen sechs- und siebenstellige Beträge, sie schmücken den Bundestag und wurden im Museum of Modern Art in New York in einer Einzelausstellung gewürdigt. "Er ist sehr vielschichtig und das macht ihn natürlich auch spannend", sagt Ausstellungs-Kurator Götz Adriani über den heute 65-Jährigen.

Künstler als Befehlsempfänger fremder Mächte

Die Ausstellung in Baden-Baden führt die Sammlungen Frieder Burda, Josef Froehlich und Reiner Speck zusammen. 60 Gemälde und mehr als 110 Arbeiten auf Papier sind zu sehen, darunter etwa das berühmte Frühwerk "Moderne Kunst" (1968), in dem Polke - bewusst lax - Kleckse und Kringel auf die Leinwand "kritzelte" und so die Elemente der Abstraktion parodierte. Auch das Bild "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!", in dem sich der Künstler als Befehlsempfänger fremder Mächte begreift, zählt zu den Exponaten. Jüngstes und bislang nicht öffentlich ausgestelltes Werk ist das drei mal fünf Meter große Gemälde "Menschenbrücke" aus dem Jahr 2005.

Polke war in den 1960er Jahren Mitbegründer des Kapitalistischen Realismus. Den Begriff sollen die beteiligten Künstler, zu denen auch Gerhard Richter gehörte, in ironischer Anspielung an den Sozialistischen Realismus der DDR ersonnen haben. Die Stilrichtung - mitunter auch als "German Pop" bezeichnet - ging als deutsche Antwort auf die internationale Pop Art in die neuere Kunstgeschichte ein. Die Künstler setzten sich ironisch und auch politisch mit dem westdeutschen Kapitalismus und den Konsumgewohnheiten der bürgerlichen Nachkrieggesellschaft auseinander.

"Polke ist ein Alchimist"

Bekannt wurde Polke vor allem durch seine Rasterbilder, in denen er Zeitungsfotos oder Werbeanzeigen mittels Punkten auf eine Leinwand projizierte. Hinzu kamen Stoffbilder, Schüttbilder, Lackbilder und zahlreiche grafische Arbeiten. Das komplexe, amüsante und auch rätselhafte Werk zeichnet sich vor allem durch eine große Experimentierfreude aus. Polke hat nicht nur Leinwände, sondern auch Wolldecken, Dekorationsstoffe oder Karnevalseide bemalt. Und in seinem Atelier - mehr ein Labor - finden sich irisierende Interferenzfarben, Eisenoxid, Chlorkautschuk und Polyester. "Er ist ein Alchemist, den man sich fast am Hofe Rudolfs II. in Prag vorstellen kann", sagt Adriani.

Im öffentlichen Kunstbetrieb hat sich Polke stets rar gemacht. Auszeichnungen nimmt er so gut wie nie persönlich entgegen, sein einziges größeres Interview gab er vor mehr als 22 Jahren. Taucht er überraschend doch irgendwo auf, bewegt er sich wie eine flüchtige Erscheinung im Hintergrund, als amüsierter Beobachter abseits des Rampenlichts. "Es ist schwierig, an ihn heranzukommen, manchmal auch enervierend", sagt Adriani. Aber wenn man es geschafft habe, sei es "ein großes Erlebnis". Für Baden-Baden hat Polke immerhin sein Kommen "zugesagt". Das muss nicht viel heißen, aber die Ausstellungsmacher sind optimistisch. "Wir gehen davon aus, dass er kommt", zeigt sich Adriani zuversichtlich. (Tanja Wolter/ddp)

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