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KUNST Stücke: Explosionen

Simone Reber schaut sich in umfunktionierten Wohnungen um.

Sichtbar wird die einstige Pracht der Potsdamer Straße in den Räumen der Galerie Arndt über dem Wintergarten-Varieté. Einer Wohnung. Am Ende ihrer weitläufigen Zimmerflucht ließen die früheren Bewohner einen eigenen Tanzsaal einbauen. In den vorderen Zimmern der 400 qm großen Galerie zeigt Matthias Arndt zwei Kabinettausstellungen. Packende Präsenz entwickeln William Cordovas „Ephemeral Monuments“, Miniaturen auf altem Papier oder dünnem Holz. Mit höchster Präzision erfindet der Peruaner absurde Maschinen: Gewehre, die sich gegenseitig erschießen, Filmprojektoren, die zur Endlosschleife zusammenlaufen (30 000 Euro). Im langen Flur hängen Nedko Solakovs „Optimistic Stories“, eine 123-teilige Serie über die Fallstricke des positiven Denkens (365 000 Euro). Mit Optimismus hofft der Künstler die Krise zu überwinden. Am Ende seiner Serie ist Solakov so schlau wie zuvor. Neben dem hintergründigen Humor des Bulgaren hat es der 30-jährige Dennis Scholl schwer. Für ihn ist der Tanzsaal reserviert (bis 15. September, Potsdamer Straße 96). In seinen großen Zeichnungen nimmt Scholl Bezug auf Frauengestalten der Weltliteratur. Sein Bleistift verflüssigt die Szenen, verzerrt sie wie eine Luftspiegelung. Deutlicher als in den etwas dekorativen Großformaten, die bereits an eine Schweizer Sammlung verkauft sind, tritt Scholls Technik des Schmelzens in den kleinen Blättern zutage (je 2600 Euro). Da verschwimmen die ursprünglich exakten Konturen, als würden sie von der Hitze aufgelöst.

Parkett, Stuck und Berliner Großzügigkeit bestimmen auch die Atmosphäre derKunstsaele. Die beiden Sammler Stefan Oehmen und Geraldine Michalke teilen sich mit der Galerie Aanant & Zoo eine herrschaftliche Etage und widmen ihre Sommerausstellung dem Maler Dieter Krieg (bis 4. September, Bülowstraß 90), der 2005 verstorben ist. Kernstück von „vertikal, negativ“ sind Arbeiten der letzten Lebensjahre, ein wütendes Ringen mit den Grenzen der Malerei und der eigenen Endlichkeit. In „oh“ von 1997 explodiert gelbe Lebensfreude mit Wucht in schwarze Pinselschleifen, Plexiglas kragt über die Leinwand wie über einen Abgrund. Mit Grimm entwirft Dieter Krieg gummiweiche schwarze Neonröhren. Licht und Körper verlassen seine Malerei. Der Künstler arbeitet sich ab an schwarzen Worten auf grauem Grund. Auf große Leinwände hat Dieter Krieg die Worte „vertikal“ und „negativ“ gemalt, die nun wie Tischplatten auf Böcken liegen. Unbändiger Widerstand, nicht zuletzt gegen jede konventionelle Hängung, beherrscht die Ausstellung – ein Aufbegehren gegen den Tod. Ein Glück, dass hier Sammler die Kraft einer Generation zeigen, die etwas aus dem Blick gerückt ist.

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