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KUNST Stücke: Krimskrams

Thea Herold interessiert sich für angeblich nebensächliche Dinge

Wenn er so weitermacht, wird Sebastian Gerstengarbe kein Geheimtipp bleiben. Dabei ist es auf den ersten Blick banal, wie der passionierte Zeichner die gewöhnlichen Dinge des Lebens in der Galerie Wilma Tolksdorf abhandelt. Da wird gestrichelt, punktiert, liniert, schraffiert und gekreiselt. Man sieht einen Laptop, Fastfood-Mahlzeiten, Gabel oder Bleistift, den Arbeitsplatz am Tisch, die Tageszeitung, zwölf Zähne, eine Zunge, einen Werbezettel, den Blick ins Atelier. Kunterbuntes Leben in grafischem Schwarzweiß. Es gibt durchweg nur Bleistift. Wirklich, das ist mal konsequent! Dabei geht alles ohne Personen über die Bühne. Doch allein die Gegenstände und Dinge, diese Sachen und der Krimskrams, alles das, was sich den Zeichner auf ganz unterschiedliche Weise in den Weg stellt, besitzt genügend Aussagekraft, um die Individualität ihres Nutzers auf die Blätter zu bringen. Sie erzählen die Geschichte indirekt, manchmal lax, hintergründig oder in wenigen Worten hineingeschrieben als Kommentar. Und wenn sich der Zeichner selten genug selbst aufs Papier bannt, die linke Hand einen Zeitungsausschnitt haltend, die rechte Hand noch mitten beim Strich, dann führt der Bleistift Regie, schafft eine erdacht-erdichtete Lebenswelt, die nur als Bild im Kopf des Betrachters zum Leben erweckt wird (Zimmerstraße 88, bis 26. April).

Dieses Künstlertrio kennt sich über zwei Jahrzehnte, seit dem Studium an der Hochschule in Dresden. Es hatte sich nie ganz aus den Augen verloren und einfach weitergemacht. Nun treffen mit dem Maler Ralf Kerbach, dem Holzbildhauer Hans Scheib und Reinhard Stangl wieder drei jener Künstler bei Eva Poll am Lützowplatz zusammen, die schon 1986 mit der Ausstellung „Malstrom“ im Haus am Waldsee ihre Talente bewiesen. Heute sind sich die drei ihres Könnens sicher, kennen sich noch immer, wissen um ihre Stärken, und damit kommen sie weiter als je. Die „Pollenflug“ betitelte Gruppenausstellung taucht jetzt die Galerie in ein wogendes Blumenmeer. Dafür bieten sie reichlich Grünzeug auf. Ralf Kerbach meisterhaft in seinem komprimierten Gestus, mit Kontrasten und Lichtern spielend, in metaphorische Anspielungen und dramatischem Zubehör im Gebinde. Hans Scheib stellt Rosen hin. Rot gestrichen und zart in Übergröße so wie die Hyazinthe oder sein blaues „Green piece“ im rustikal ornamentierten Topf. Und Reinhard Stangl beschwört bei „Insomnia“ mit Blumen, die nachts zur Blüte kommen, eine düstere Schönheit. Da wird nicht am Schmelz gespart, die Farben schimmern oder reflektieren. Vielleicht ist es aber alles auch eine ikonische Differenz, wie Gottfried Boehm sagen würde, und es manifestiert sich darin noch etwas ganz anderes als Sommerblüten, Früchte und Blumen im Glas? Könnte doch sein ... (Lützowplatz 7, bis 10. Mai).

Thea Herold

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