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KUNST Stücke: Lebensbreit

Den Mr. Spock gab er in den 60ern.

Den Mr. Spock gab er in den 60ern. Doch bis heute ist Leonard Nimoy der berühmteste Vulkanier in unserer Galaxis. Wahrscheinlich hat Mr. Spock schon damals verkörpert, was wir heute cool nennen. Nur Spock war fehlerfrei und unemotional wie eine Excel-Tabelle. Dass er nicht nur Schauspieler, sondern vor allem ein leidenschaftlicher Fotograf ist, hat er bei Gelegenheit schon gesagt. Doch erst jetzt gibt es mit The Full Body Projekt in der Emerson Gallery (Gartenstraße 1, bis 15. Januar) die erste Einzelausstellung in Deutschland. Wie gehabt: einfach cool! Völlig gegen den Strich der Körperideale. Da begegnen uns keine abgespeckten Schönheiten. Nirgendwo Spuren von Photoshop. Selbst wenn man nicht weiß, wie ernsthaft der heute 79-Jährige seit den 70er Jahren seine Fotografie (Preise: 4000–8500 Euro) als Kunst betreibt. Man spürt die gewachsene Erfahrung. Er zeigt uns namenlose Super-Models: vollschlanke, dicke, sehr dicke Frauen. Sie standen ihm auch nicht irgendwie Modell – sondern ganz einfach nackt. Und in sachlicher Noblesse sagen alle Frauen dabei wortlos das Eine: Ja, so ist es. Und jede von ihnen wirkt dabei nahezu vulkanisch souverän.

Michael Rutschky ist in Berlin ein geschätzter Autor und beliebter Essayist. Er hat immer geschrieben und Poetik an der Uni in Heidelberg unterrichtet. Vielleicht hatte es Galerist Anselm Dreher (Pfalzburger Straße 80, bis 28. Januar) so gar nicht vor, aber mit der Ausstellung Creme… bietet er jungen Fotografen eine Lehrstunde in fotografischer old school. Alle Vorzüge, alle Eigenheiten. Abzüge (für Vintages und Fotozyklen Preise auf Anfrage) finden sich in handlichen Formaten. Die Vintages, noch selbst getrocknet, selbst platziert. Manchmal wurde es halt bisschen schief. Und es macht reinweg gar nichts, weil es bei Rutschkys fotografischer Kunst um die Kunstfertigkeit seiner Technik so niemals geht. Faszinierend ist vielmehr das Spiel mit dem Beiläufigen, sein Blick in den Raum. Auch dieses „So ist es“ kommt eher sachlich. So erscheinen uns seine Motive oft wie gefunden, nie wie gesucht. Genauso wie die Worte, die er aufnimmt. Hingeschrieben an Mauern, auf Plakate, oder als Graffiti, oder von Hand selbst als Notiz. Jene 54 Motive, die im größten Raum der Galerie zum Tableau werden, tragen den schönen Rutschky-Titel Berlin. Die Stadt als Roman. Aber jeder Besucher, jeder Betrachter liest darin seinen ganz persönlichen Text.

Thea Herold

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