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Kunstgewerbemuseum: Leipziger Schätze kommen wieder ans Licht

99 Prozent der Bestände lagerten seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Depots. Nach Jahrzehnten wird die Leipziger Kunstgewerbesammlung ins Grassi-Museum zurückkehren.

Leipzig - Die 500 Jahre alte feuervergoldete Gürtelkette, der französische Faltfächer und der süddeutsche Hausaltar aus dem Jahr 1750 teilen das gleiche traurige Schicksal: Seit mehr als einem halben Jahrhundert liegen die wertvollen Kunstgewerbeschätze in dunklen, feuchten Kellern. 99 Prozent der Exponate aus dem Museum für Angewandte Kunst in Leipzig, dem zweitältesten Kunstgewerbemuseum in Europa, lagern seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Depots. Nun kommen sie wieder ans Licht: Nach einer jahrzehntelangen Odyssee kehrt die Kunstgewerbesammlung Ende dieses Jahres ins Grassi-Museum zurück.

Vor 133 Jahren hatten Leipziger Bürger das zweite deutsche Museum ins Leben gerufen, das den damals noch recht jungen Begriff "Kunstgewerbe" im Namen führte. 1874 in der Alten Post am Thomaskirchhof eingerichtet, zog es 1926 in das damals eröffnete Grassimuseum. Im Zweiten Weltkrieg wurde das "Grassi" durch Bomben schwer beschädigt - und damit begann für das Kunstgewerbemuseum ein jahrzehntelanger Interims-Zustand.

Vieles blieb jahrzentelang verborgen

Fünf von einst 29 Ausstellungsräumen im "Grassi" waren ab 1952 wieder nutzbar. Auf 650 Quadratmetern zeigte das Museum europäisches Kunsthandwerk - bis zu einer Wasserhavarie 1981. Weil kein Geld für die Schadensbeseitigung da war, blieb die Schau 13 Jahre lang geschlossen. Erst 1994 konnte das Museum wieder öffnen, allerdings wieder nur mit 5 Räumen. Nur für 500 der rund 90.000 Exponate sei dort Platz gewesen, sagt Eva Maria Hoyer, Direktorin des Museums für Angewandte Kunst. In drei Etappen wird das Museum nun bis 2009 auf 5300 Quadratmetern im "Grassi" wieder eingerichtet. Der größte Teil der Exponate war mehr als 60 Jahre lang nicht oder sogar noch nie zu sehen. "Da wird es so manche Überraschung für unsere Besucher geben", sagt die Direktorin. "In der Nachkriegszeit sind einige geborgene hochkarätige Sammlungsstücke in unser Haus gekommen. Ausstellen konnten wir sie seither noch nie."

In Kisten verstaut lagern seit dem Zweiten Weltkrieg Alltags-Schätze aus mehreren Jahrhunderten im feuchten Dunkel. "Wassereinbrüche aus undichten Abflussrohren und klimatisch ungünstige Bedingungen durch schlecht isoliertes Mauerwerk gehörten seitdem zum Alltag", sagt die Direktorin. Eineinhalb bis zwei Millionen Euro sind nötig, um die Schäden an den Exponaten zu beheben. Eine Million Euro hat das Museum in den vergangenen fünf Jahren bereits bei Stiftungen und Privatleuten eingeworben; etwa mit Postkarten, auf denen die Exponate in eigener Sache "sprechen": "Nicht mehr bin ich, der ich war" oder "Oh hätt' ich nie gelebt, das zu schauen". Die Restaurierung der Exponate läuft auf Hochtouren.

Mit dem Wiedereinzug der Kunstgewerbesammlung präsentieren sich dann erstmals seit mehr als 60 Jahren das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig, das Museum für Angewandte Kunst und das Völkerkundemuseum wieder gemeinsam im "Grassi". Der Museumskomplex, in dem zu DDR-Zeiten unter anderem ein Baukombinat sein Domizil hatte, zählt zu den 20 national bedeutenden Kultureinrichtungen Ostdeutschlands. Es wurde seit 2000 für rund 35 Millionen Euro saniert. (tso/dpa)

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