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Kultur: Kunstnapping

Bodo Mrozek ist einer rätselhaften Entführung auf der Spur Kunst hat es im öffentlichen Raum schwer. Außerhalbeder weißen Wände musealer Schutzräume muss sie um Passanten buhlen: Seht her, ich bin die Kunst und will zu euch sprechen.

Bodo Mrozek ist einer

rätselhaften Entführung auf der Spur

Kunst hat es im öffentlichen Raum schwer. Außerhalbeder weißen Wände musealer Schutzräume muss sie um Passanten buhlen: Seht her, ich bin die Kunst und will zu euch sprechen. Was aber, wenn der Passant plötzlich selbst zum handelnden Subjekt der Kunst wird? Wenn er sich der Kunst nicht passiv aussetzten will, sondern aktiv zurückschlägt?

Am U-Bahnhof Alexanderplatz kam es kürzlich zu einem seltsamen Zwischenfall. Dort steht der Wartende nicht wie sonst Auge in Auge mit Marlboro-Mann, Haribo-Gottschalk oder den Unterwäschemädels von H&M. Er blickt auf 32 Tafeln Kunst. Die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst hat den Bahnhof in eine unterirdische Galerie verwandelt, derzeit dürfen der Künstler Aage Langhelle und das Designbüro 52Nord dort den Schriftzug „DDR“ im Stile bunter Markenlogos ausstellen. Das soll den Betrachter anregen, sich mit „dem Transformationsprozeß der DDR auseinanderzusetzen“. Vor wenigen Wochen verschwand eine der 32 Tafeln spurlos. Stattdessen fand sich an ihrer Stelle eine neue Tafel im selben Stil. Statt „DDR“ stand darauf aber „cbs“.

Kunstwelt und Peronennahverkehr standen vor einem Rätsel: Wer oder was ist „cbs“? Wie konnte eine vier mal zwei Meter große Tafel unbemerkt verschwinden? Und wohin? Die NGBK erstattete Anzeige gegen Unbekannt, die Polizei ermittelte. Erfolglos. Doch dann tauchte das verschwundene Werk überraschend wieder auf. An einem Frühlingsmorgen hing es in luftiger Höhe an der Fassade des nahen Kaufhofgebäudes. Wieder hatte niemand etwas gesehen. Wieder fehlte von den Entführern jede Spur.

Jetzt ist das Geheimnis gelüftet. In einem Bekennerschreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, übernimmt die Gruppierung „cbs“ die Verantwortung. Die 1995 aus der Graffitti-Szene entstandene Gruppe tritt nach eigenen Angaben gegen die Verflachung von Kunst ein. Die Ausstellung der DDR-Logos behandelt ihrer Ansicht nach Werbung nicht kritisch genug. Sie vermarkte sich selbst, so ein cbs-Sprecher im Internet. Man habe eine „Störstelle“ in der Ausstellung geschaffen und die Kunst in einen „ehrlicheren“ Kontext gestellt: nämlich ins Kaufhaus.

Was lehrt uns das nun alles? Nicht viel. Außer vielleicht dieses: Kunst im öffentlichen Raum ist nicht nur schwierig. Manchmal kann sie auch ganz lustig sein. Die Anzeige wurde inzwischen zurückgezogen. Weitere cbs-Aktionen sind angekündigt.

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