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Kunststücke: Aus Luft gebaut

Skulpturen von Fritz Panzer, "dark matter" von Dennis Feddersen: Simone Reber greift nach flüchtigen Objekten

Man kann sie nicht vergessen, und man kann sich nicht an sie erinnern. Die Skulpturen von Fritz Panzer lösen sich im Gedächtnis auf und beben nur als leise Fragen nach. Viele Besucher kommen auf der Suche nach einer Antwort zweimal in die Ausstellung der Galerie Krobath (Marienstraße 10, bis 6. Februar), die eigentlich in Wien zu Hause ist und seit kurzem eine Berliner Dependance hat. Fritz Panzer, 1945 in der Steiermark geboren, zeichnet mit Blumendraht im Raum. Er bildet die Silhouetten vertrauter Objekte nach, nicht aber ihre Oberfläche. Eine Rolltreppe entfaltet sich vom Fußboden und verschwindet im Nichts, als habe der Künstler sie ausradiert (38 500 Euro). Ein Pappbecher steht auf dem Geländer, die geheimnisvolle Spur eines Menschen. In ihrer Transparenz verlieren die profanen Dinge ihre Funktion und Materialität, die Wärme der menschlichen Berührung. Selbst die metallischen Konturen zerfasern. In haarigen Borsten ragt der Draht in die Luft. Anfangs hat Panzer Mobiliar aus Karton nachgebaut. Der Anblick eines sterbenden Hundes führte ihn zurück zur Zeichnung. Zeitweilig arbeitete er als Zeichner für die Berliner Zeitung. Seit 2000 formt er seine Skizzen aus Draht, hält seine nächste Umgebung damit fest: die Pumps seiner Tochter, ein gefaltetes Hemd, das Klavier in seinem Zimmer. Verwirrend changieren diese durchsichtigen Gegenstände zwischen den Dimensionen. Die Luftgebilde graben sich nicht ins Gedächtnis ein, sondern fliehen vor dem geistigen Zugriff. In Panzers Skulpturen ist das Erlöschen allgegenwärtig.

Entkommen will auch „dark matter“ von Dennis Feddersen. Doch der Künstler hat die dunkle Macht hinter dicken Mauern verbarrikadiert. Den Eingang der Galerie koal (Tucholskystraße 25, bis 6. Februar) im Seitenflügel des Postfuhramtes versperrt die scharfe Kante eines Pfeilers. Die Besucher müssen sich schmal machen, um in den Raum zu gelangen, den Stephan Koal erst kürzlich bezogen hat. Zuvor saß die Galerie vier Jahre lang in der Bergstraße. Eine kleine Plastik im Entrée fungiert als Hüter des Unheils (2200 Euro). Mit Schwingen, die von schwarzem Wachs überzogen sind, erinnert dieser „dark passenger“ an den „Hausengel“ von Max Ernst. Hinter der Wand flattern schwarze Partikel auf als rußige Wolke. Die spitzen Flugkörper aus glänzender Plane drängen wie Goyas Ungeheuer aus ihrem Verlies (28 000 Euro). Bisher hat der 30-jährige Künstler, der zuletzt beim Rohkunstbau-Festival auffiel, mit wuchernden Strukturen gearbeitet, mit Materie, die sich verselbstständigt. Seine gelockten Holzspäne winden sich die Wand entlang, seine Krakenkörper lauern in Ecken oder lungern in der Landschaft. Jetzt lässt Feddersen die düsteren Mächte in die Luft steigen. An Nylonschnüren verspannt, entwickelt ihr Flug Dynamik. Sein dunkler Schwarm erscheint wie das brisante Konzentrat einer Gegenwart, deren Schatten nicht dingfest zu machen sind.

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