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Kultur: Kurvenstar

Francesco Tristano mit Bach und Cage im Radialsystem

Die Sehnsucht nach einem barrierefreien Zugang zum Herzen der Klassik ist groß und verzehrend. Einengende Konzerttraditionen werden minimalinvasiv mit „casual concerts“ durchlässig gemacht oder zur Sicherheit gleich Bypässe um bürgerliche Podien herumgelegt, die Geiger ins Berghain versetzen. Francesco Tristano ist ein Künstler, der zwischen Club und Konzertsaal pendelt. Der 30-jährige Pianist aus Luxemburg spielt Bach und kollaboriert mit den Giganten der Techno- Szene. Die Vorstellung seiner neuen CD „bachCage“ im Radialsystem an der Spree, auf halbem Weg zwischen den Welten, muss wegen großer Nachfrage wiederholt werden. Mithilfe von Laptop, Lichtdesign und Flügel startet Tristano den Abend mit einer Eigenkomposition – und wird ihn so auch beenden. Verhaltende Loops und zarte Reverbs umschmeicheln den hingetupften Satz. Darauf folgt eine sportliche Bach-Partita, die Pathos-Hürden überspringt und flott vom Fleck kommt. Woher sie kommt, wohin sie geht – woher soll die Musik es wissen, wo es doch gerade so gut läuft. Ganz in nachtblaues Licht getaucht, erklingen unmittelbar anschließend Werke von John Cage. Ihre unberechenbare Klang- aura, die nach Willen des Komponisten aus der nicht exakt wiederholbaren Präparierung des Klaviers entsteht, will Tristano per Mouseclick abrufen. Alles bleibt unter Kontrolle, die Hüllkurven vorab ausgeklügelt, der Anschlag weichlich. Die versprochene Verschmelzung von Bach und Cage findet nicht statt. Doch kleiner wirken sie, so auf Format getrimmt, entbehrlicher auch. Ulrich Amling

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