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Kurz & Kritisch: Sehenswertes im Forum und im Panorama

„Pus“ von Tayfun Pirselimoglu, „Fin“ von Luis Sampieri, Yang Ruis „Crossing the Mountain“ und „Kosmos“ von Reha Erdem.

FORUM

Stochern im Nebel: „Pus“ von Tayfun Pirselimoglu

Westlich vom Atatürk-Flughafen, wo Istanbuls Verlierer wohnen, herrscht ständig leichter Nebel: pus. Die beiden Männer und die Frau, um die es in Tayfun Pirselimoglus Film geht, bleiben lange namenlos. Emin, der Metzger, will seine Frau umbringen lassen, weil er sie, wie er sagt, zu sehr liebt. Und Resat, ein Gelegenheitsdieb und Handlanger der Mafia, hat diesen Job auf eigene Faust übernommen. Im Vorstadtsumpf – penetrant grau-grün-verwaschen sind die Farben des Films – dümpeln Pirselimoglus Protagonisten vor sich hin, bis sich die Ereignisse zuspitzen, ohne jede Dramatik allerdings. Eindringlich sind die lang gehaltenen Totalen des Films: Einmal sieht man den maulfaulen, selbst ernannten Auftragsmörder auf einer Anhöhe über der Autobahn sitzen und auf den Verkehr starren, ein anderes Mal wird eine Herde Schafe über die kargen Hügel getrieben. An einer Stelle durchwühlt Resat eine Mülltüte seiner Nachbarin, fischt ein leeres Parfümfläschchen heraus, das er sogleich aufschraubt, um daran zu riechen: ein winziger Moment von Sinnlichkeit – und vielleicht sogar Hoffnung. Daniela Sannwald

Heute 22 Uhr (Cinemaxx 4), 20.2., 21.30 Uhr (Delphi), 21.2., 12.30 Uhr (Cubix )

FORUM

Ganz weit draußen: „Fin“ von Luis Sampieri

Jugendliche leben in ihrer eigenen Welt, und das macht den Erwachsenen Angst. Wird diese Angst zu deutlich zum Ausdruck gebracht, verschließen sich die Jugendlichen erst recht. So wie Iker, Ana und Ramia, die mit Ikers Wagen in ein abgelegenes Waldstück fahren. Was haben sie vor? Möglich ist alles, von der Entjungferung bis zum Mord. Luis Sampieri, ein in Argentinien geborener spanischer Regisseur, der auf die 40 zugeht, verzichtet auf Erklärungen. Sicher ist nur, dass Iker Ramia nicht ausstehen kann. Ana hat ihm vorher nicht verraten, dass die dritte Person eine Muslimin ist. Da die drei kaum reden, muss man in ihren Gesichtern lesen, ihre Körpersprache studieren. Ana wirkt abenteuerlustig, selbstbewusst. Iker ist der hormongesteuerte Halbstarke, der schnell die Kontrolle über sich verliert. Ramia passt überhaupt nicht in diese Runde, was natürlich die Spannung erhöht. Es spricht für die Darsteller, dass man sich über ihre Figuren so viele Gedanken macht. Daneben besticht das Gespür des Regisseurs für die Natur. Der Zuschauer kennt bald jeden Weg in diesem Waldstück, so präzise wird das Umfeld in gestochen scharfen Bildern erfasst. Was immer die drei hier anstellen, sie werden von niemandem gestört – oder gefunden. Frank Noack

Heute 20 Uhr (Colosseum 1), 20. 2., 22.15 Uhr (Cubix 9), 21. 2., 16.30 Uhr (Cinestar 8)

FORUM

Schwein gehabt: Yang Ruis „Crossing the Mountain“

Der Moment hat das Zeug dazu, eine Lieblingsstelle des diesjährigen Festivals zu werden. Ein paar Männer auf einer chinesischen Dorfstraße: Sie halten ein gefesseltes Schwein auf dem Boden und beschwören es, viel mageres Fleisch zu geben. Man fürchtet schon das Schlimmste – dann Schnitt auf die ermattete Sau, die ein halbes Dutzend frisch geworfener Ferkel säugt. „Crossing the Mountain“ besteht aus eine Reihe funkelnder Perlen, locker verkettet zu einem Reigen an Bildern und Tönen, die immer wieder aufeinander verweisen, doch bis zum Ende nie ganz ineinander aufgehen. 

Das Volk der Wa lebt im bergigen Südwesten Chinas. Schwere Wolken hängen, die Natur ist üppig und die Menschen scheinen sich in ihr aufzulösen, wenn sie zum Strohsammeln in den Wald gehen. Drei Jahre hat die nordchinesische Regisseurin Yang Rui mit den Wa gelebt. Handgranaten gibt es hier allerdings auch, und im Film deutet sich auch so etwas wie eine winzige Krimihandlung an, gleich zu Anfang kommen Soldaten wie Buschmänner in Tarnkleidung aus dem Wald. Silvia Hallensleben

Heute 19.30 Uhr (Cinemaxx 4), 20. 2., 12.30 Uhr (Arsenal), 21. 2., 11 Uhr (Cinestar)

PANORAMA

Alles auf Zucker: „Kosmos“ von Reha Erdem

Es ist die Magie eines aus der Zeit gefallenen Ortes im Niemandsland: eine Kleinstadt im Winter, die manchmal unter dem Kanonendonner eines nicht allzu fernen Krieges erzittert. Ein Fremder kommt im Schneesturm über die Berge und rettet sogleich einen kleinen Jungen, der in den Fluss gefallen ist. Aus Dankbarkeit stellt ihm die Gemeinde eine Wohnung im verlassenen Rathaus. Der merkwürdig kindlich wirkende Fremde versucht, sich in der Stadt zurechtzufinden. Reha Erdem, vergangenes Jahr im Forum mit „My Only Sunshine“ vertreten, zeichnet mit der Figur des Kosmos einen reinen Toren – der mitunter dann doch nicht so harmlos ist, wie er scheint. Die altjüngferliche Lehrerin bringt sich seinetwegen um. Andererseits hat er heilende Kräfte. Außerdem ernährt er sich fast ausschließlich von Zucker. Die Bewohner der Stadt werden misstrauisch. Ist der Fremde verantwortlich für die Diebstähle, die seit seinem Eintreffen erstaunlich häufig vorkommen? Kafka, Tarkowski und der osteuropäische Film im Allgemeinen scheinen die Paten dieses ein wenig mystisch verschwurbelten und daher anstrengenden, aber dennoch sehenswerten Films. Daniela Sannwald

Heute 17 Uhr (International), 20. 2., 22.30 Uhr (Cubix 7 & 8)

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