zum Hauptinhalt

KURZ & KRITISCH: Um die Ecke gebracht

Von öden Winterlandschaften, unangenehmen Figuren, verlorenen Liebes- und Freundschaften und heftigen Tabubrüchen - die folgenden Filmvorstellungen sind düster und böse.

PANORAMA

Das Land ist eine schmuddelige Öde:

„Rundskop“ aus Belgien

Fiese flämische Fleischhändler sind die Hauptfiguren dieses belgischen Films, der sich ganz beiläufig mit den Animositäten zwischen Flamen und Wallonen im Land befasst. Dabei kommen die Wallonen im Süden eindeutig besser weg: Frankofon, bauernschlau und ein bisschen tollpatschig sind sie, aber alles in allem nicht wirklich übel. Wahre Scheusale dagegen die von den Wallonen gern mal faschistisch genannten Flamen: Ihnen geht es allein ums große Geld; und sie verachten diejenigen, die ihnen bei der Beschaffung helfen. Die unsichtbare Grenze zwischen den jeweiligen Territorien wird in „Rundskop“ mehrfach angesprochen.

Schmuddelig und unappetitlich wie die Geschäfte der Fleischzüchter sind die Farben des ländlichen Belgiens: Schlamm- und Sandfarben herrschen vor, innen wie außen, und die mit Belgien verbundenen gemeinhin unerfreulichen Assoziationen werden durch das fahle, kalte Winterlicht, die öde Weite der Landschaft und die durchweg unangenehmen Figuren nicht gerade konterkariert.

Auch der wortkarge Protagonist Jacky ist kein Sympathieträger. Hormonabhängig und traumatisiert fristet er ein einsames Leben als Rinderzüchter. Als ihn ein Tierarzt mit den mafiösen Fleischhändlern bekannt macht, muss er sich überlegen, ob er ins große Geschäft einsteigt. Wenig später gerät er bereits in den Fokus der Polizei. Grausame Ereignisse aus der Vergangenheit kommen ihm wieder zu Bewusstsein, als sein ehemaliger bester Freund Diederik auftaucht, der inzwischen als Polizei-Informant arbeitet.

Es ist eine böse Geschichte, die Michael R. Roskam in seinem Spielfilmdebüt erzählt, ästhetisch und dramaturgisch perfekt, und deshalb umso eindringlicher. Es geht um alte und neue Schuld, um Vergebung und Reue. Und mit der präzisen Beschreibung des Rinderzüchtermilieus hat Roskam einen ungewöhnlichen, aber überzeugenden Hintergrund für seinen Thriller gewählt. Daniela Sannwald

Heute 14 Uhr (Cinemaxx 7); 19. 2., 14 Uhr (International)

FORUM

Das Leben ist eine trunkene Hymne:

„Sleepness Nights Stories“

Der persönliche Tagebuchfilm ist ein Format, das bei falscher Behandlung leicht ins Peinliche umschlagen kann und sein Publikum mit unerbetenen Privatismen beschämt. Wenn es gut geht dagegen, fokussiert sich im einzelnen Leben die ganze menschliche Existenz.

Ein Altmeister des Genres ist Jonas Mekas, der als Filmemacher, Archivar und Lehrer seit vielen Jahrzehnten zum Kern der New Yorker Kunst-Avantgarde gehört. Zuletzt war der mittlerweile fast 90-Jährige 2001 mit dem impressionistischen „As I Was Moving Ahead Occasionally I Saw Brief Glimpses of Beauty“ beim Forum zu Gast. „Sleepness Nights Stories“ knüpft atmosphärisch an den melancholisch resümierenden Tenor der damaligen Arbeit an und führt sie als barock moribunde Traumwandelei fort. Basis ist der gesellige Alltag des Künstlers, der am großen Tisch Familie und Freunde empfängt. Doch diese Runden sind nur Ausgangspunkt für Eskapaden, die sich nach dem Vorbild der „Geschichten aus 1001 Nacht“ episodisch in die Vergangenheit bewegen und um verlorene Lieb- und Freundschaften kreisen – wie die 1970 verstorbene seelenverwandte Filmemacherin Marie Menken, der Jonas mit einer Minibar-trunkenen Hymne ein schönes Denkmal setzt.

Gesungen – und getrunken – wird auch sonst. Und vielleicht kann man diesen ebenso einschmeichelnden wie sperrigen Film überhaupt am besten mit musikalischen Begriffen beschreiben. Denn es ist Mekas außerordentliches Gespür für visuelle und verbale Klangfarben und Rhythmen, die seinem Film bei aller Todesnähe den höchst lebendigen Puls geben. Dass auch ein Dutzend lebende Legenden wie Patti Smith, Louise Bourgeois oder Yoko Ono als Nebendarsteller auftauchen, sei als amüsanter Kollateralschaden abgebucht.Silvia Hallensleben

Heute 20 Uhr (Arsenal 1); 20. 2., 16.30 Uhr (Delphi)

PANORAMA

Das Herz ist ein finsteres Loch:

„7 Khoon Maaf“ aus Indien

Hui, da purzeln die Tabus. Sexszenen, häusliche Gewalt, Drogenexzesse, ein tanzender Jesus und vor allem eine Inderin, die ihre sieben Ehemänner um die Ecke bringt. Ganz schön mutig in einem Land, wo das immer noch häufig genug andersherum passiert. Doch „Sieben Sünden vergeben“, wie das mit Bollywoodstars wie John Abraham und Priyanka Chopra als schwarzer Witwe üppig besetzte Mordsspektakel von Vishal Bhardwaj übersetzt heißt, hat eine raffinierte Erklärung für die krasse Scheidungsmethode der reichen aber unglücklich liebenden Heldin Susanna: Die Männer sind alle Verbrecher, ihr Herz ist ein finsteres Loch.

Letzteres trifft leider auch auf die düsteren Settings des unentschlossen zwischen Drama und Satire schwankenden Hindifilms zu. Selbst bei den Tanznummern rückt die Kamera den Figuren nur in halb nahen und nahen Einstellungen auf den Pelz und macht trotz des schönen Cinemascope-Formats nichts aus dem Raum. Gott sei Dank ist die Heldin am Ende nicht bloß Opfer, sondern auch manische Täterin. Nur stumpf sieben Arschlöcher heiraten, geht selbst im Familienland Indien nicht mehr. Gunda Bartels

Heute 10.30 Uhr (Cinemaxx 7); 19.2., 14 Uhr (Cubix 9)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false