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Catherine Deneuve spielt Muriel, die Oma von Alex (Kacey Mottet Klein).

© Curiosa

„L’adieu à la nuit“ auf der Berlinale: Mein Enkel, der Feind

Außer Konkurrenz im Wettbewerb: Catherine Deneuve und Kacey Mottet Klein in André Techinés IS-Drama „L’adieu à la nuit“.

Die Kirschen blühen, es ist Frühlingsanfang, die schönste Jahreszeit, und es ist alles da, was man so liebt an den Filmen von André Techiné. Das helle Licht, die Luft, die südfranzösische Landschaft. Techiné hat immer gerne in der Provinz gedreht, an abgelegenen Orten. Diesmal ist es ein Reiterhof.

Auch sonst fehlt nichts von dem, was Techiné-Filme ausmacht: die Sinnlichkeit (allein wie er Pferde filmt!), das fabelhafte Schauspieler-Ensemble, das feine Gespür für Familienkonstellationen, der wache Blick auf junge Menschen und wie sie es schwer haben mit dem Erwachsenwerden – und vor allem: Catherine Deneuve. Techinés meisterliches Geschwisterdrama „Ma saison preferée“ gehört bis heute zu ihren besten Filmen.

Und doch tut es fast weh, sie nicht nur im Profil, sondern auch von vorne in Nahaufnahme sehen, es tut weh, dies zu schreiben. Die Schönheitschirurgie hat ihrem Gesicht zugesetzt, der Mundpartie, es war schon auf der Berlinale 2017 bei „Ein Kuss von Béatrice“ ein schmerzlicher Anblick. Gerade wegen der Hochachtung vor Frankreichs Diva, die zum Glück nicht aufhört, vor der Kamera zu stehen. Deneuve mit gelber Regenjacke und Gewehr, um die Wildschweine von den Feldern zu vertreiben – man würde sie gern auf der Stelle begleiten.

Techiné hält auch seinen Jungstars die Treue

In „L’adieu à la nuit“ spielt sie die Großmutter Muriel, deren Enkel Alex (Kacey Mottet Klein) ein letztes Mal auf den Reiterhof kommt, bevor er nach Kanada geht. Bis Muriel herausfindet, dass Alex zum Islam konvertiert ist, sich dem Dschihad angeschlossen hat und mit seiner Freundin, der Altenpflegerin Lila (Oulaya Amamra), nicht nach Montreal will, sondern nach Syrien zum IS. Zu den Reisevorbereitungen gehört auch, dass er Muriel 6000 Euro stiehlt.

Die Nervosität der Jugend, die Unruhe von Alex, der Druck, unter dem er steht, sein Energieüberschuss, es überträgt sich auf die Bilder. Der Schweizer Schauspieler Kacey Mottet Klein prägte mit seiner Natürlichkeit und hohen physischen Präsenz schon Techinés letzten Berlinale-Film, das Coming-Of-Age- und Coming-Out-Drama „Mit Siebzehn“, das bei der Bären-Vergabe 2016 zu Unrecht leer ausging. Schön, dass André Techiné auch seinen jungen Stars die Treue hält.

Zu Beginn von „L’adieu à la nuit“ erleben die Protagonisten eine Sonnenfinsternis. Techiné, der sich in seinen Filmen nie aktuellen politischen Themen widmet, blickt als 75-Jähriger erstaunt auf die Verblendung und Radikalisierung mancher Kinder – vor allem in der westeuropäischen Mittelschicht rekrutiert der IS mit Erfolg. Die Sonnenfinsternis will der Regisseur auch als Metapher für das mögliche Ende der Aufklärung verstanden wissen. Verzweifelt versucht Muriel, Alex vom Dschihad abzubringen, sperrt ihn ein, bittet einen geläuterten Rückkehrer, mit Alex zu reden – vergeblich. Interessant, dass dieses Jahr auffällig viele Berlinale-Helden und -Heldinnen nicht von ihrem Weg abzubringen sind. Katharsis war einmal.

13.2., 10 Uhr und 21. 45 Uhr (HdBF), 15 Uhr (FSP), 172., 21.30 Uhr (FSP)

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