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Kultur: Lambchop

Diese Woche auf Platz 62 mit: „Damaged“

Kurt Wagners Stimme klingt wie ein Kaminfeuer. Die Vokale brummeln in tiefem Tennessee-Akzent, Konsonanten knacken wie trockene Äste. Wenn Wagner in normaler Tonlage spricht, erfüllt eine sanfte Glut den Raum. Wenn er heiser lacht, fliegen kleine Funken. 14 Jahre arbeitete Wagner als Bodenleger. Aber es genügte ihm nicht, in seiner Heimatstadt Nashville das Parkett zu versiegeln. Fünf Platten nahm er mit seiner Band Lambchop auf, dann hängte er endlich die Säge an den Nagel.

Lambchop sind ein bis zu 14-köpfiges loses Kollektiv – und entsprechen nicht unbedingt dem Klischee, das man gemeinhin mit Nashville verbindet. Die meisten der Musiker gehen weiterhin bürgerlichen Berufen nach, sind Gärtner, Elektriker, Bauarbeiter. Ihre wunderbar warmen Bläser- und Streichersätze werden nach alter Väter Sitte auf Tonband aufgenommen. Wagner schrieb auch Musik für den Stummfilm „Sonnenaufgang“ von F.W. Murnau. Ein Cowboy täte so etwas nicht. „Damaged“ heißt das achte Werk, veröffentlicht beim gar nicht genug zu preisenden Berliner Label City Slang. Hinter lakonischen Songtiteln wie „A Day Without Glases“ oder „The Rise And Fall Of The Letter p“ verbergen sich schwermütige Gedanken, die Wagner während längerer Krankheit kamen. Aber er wäre nicht der Kurt Wagner, den Freunde fein geschliffener Zeitlupenmusik so schätzen, hätte er daraus nicht ein lust- und trostvolles Tableau in dunkel-süßen Gemütsfärbungen komponiert.

„Der Nachmittag war eine Studie in Stagnation, ich habe mich keinen Zoll bewegt“, singt Wagner. Es gibt solche Tage. Sie mit Musik wie der von Lampchop zu füllen, ist ganz bestimmt kein Holzweg.

Ralph Geisenhanslüke

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