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Kultur: Lauter liebe Leute

Es ist ein mildes, versöhnliches Gralslicht, das an diesem Abend aus dem Orchestergraben der Deutschen Oper heraufschimmert: Lieb sind sie doch, die da oben leidend des Erlösers harren, sagt es uns.Väterchen Gurnemanz, der sorgsam seinen Bonsai hegt, der Schmerzensmann Amfortas, das Weib Kundry, all diese Gestalten, die mit einigem Recht zornig gegen die Zwänge der Gralsgesellschaft revoltieren oder sich in verbitterte Resignation zurückziehen könnten, versieht Christian Thielemann bei seinem "Parsifal" mit dem gleichen orchestralen Weichzeichner.

Es ist ein mildes, versöhnliches Gralslicht, das an diesem Abend aus dem Orchestergraben der Deutschen Oper heraufschimmert: Lieb sind sie doch, die da oben leidend des Erlösers harren, sagt es uns.Väterchen Gurnemanz, der sorgsam seinen Bonsai hegt, der Schmerzensmann Amfortas, das Weib Kundry, all diese Gestalten, die mit einigem Recht zornig gegen die Zwänge der Gralsgesellschaft revoltieren oder sich in verbitterte Resignation zurückziehen könnten, versieht Christian Thielemann bei seinem "Parsifal" mit dem gleichen orchestralen Weichzeichner.Selbst dem fiesen Zauberer Klingsor wird österliches Mitleid zuteil: Die wild gezackten Konturen des Vorspiels zum zweiten Akt läßt Thielemann nur sanft federnd musizieren - selbst hier soll kein schroffer Mißton die meditative Atmosphäre von Wagners "Bühnenweihfestspiel" stören.Es ist dennoch, gerade vom Orchester her, ein berückend schöner "Parsifal", der da gelingt.Die großen Bögen, die bei der Premiere vor einem Jahr noch allenthalben einbrachen, werden jetzt mit ruhigem Atem gemeistert.Schon das Vorspiel entfaltet sich auf organische Weise, mit geschmeidigen, homogenen Streichern modelliert Thielemann ein lyrisches Einstimmungsstück.In seinem Bemühen um eine einheitliche Färbung des Werkes opfert er die opernhafte Dramatik ebenso bereitwillig wie das martialische Pathos, zu dem die Ritterszenen verführen könnten.Wo das Orchester nur andeutet, bleibt es den Sängern überlassen, mit ihrer Persönlichkeit das expressive Potential der Musik auszufüllen.In vollem Umfang gelingt das an diesem Abend nur Linda Watsons sensationeller Kundry.Das ist, mit sinnlich dunklen Mezzo-Farben und durchschlagender Höhe, nicht nur großartig (und textdeutlich) gesungen, Watson kann auch stimmlich die leidenschaftliche, lebenshungrige, gequälte Frau darstellen, die ihr Götz Friedrichs nach wie vor peinliche Schwimmbad-Inszenierung versagt.Die anderen kämpfen gegen die unfreiwillige Komik der Szene und gegen ihre suboptimale stimmliche Form an.Nicht nur der als Gurnemanz eingesprungene (und als indisponiert entschuldigte) Hans Sotin, auch Stig Andersens Parsifal und Wolfgang Brendels Amfortas klingen an diesem Abend etwas belegt.Eine Verbesserung gegenüber den Premierenbesetzungen sind die beiden dennoch.Zufriedenheit soweit, nur eine Bitte noch: Wann gelingt es endlich, die auch hier wieder penetrant hörbaren Lautsprecheranweisungen von der Seitenbühne abzustellen?

Noch einmal am 11.4.um 16 Uhr.

JÖRG KÖNIGSDORF

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