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 Lawrence Ferlinghetti vor dem legendären City Lights Bookstore in San Francisco.

© Reuters

Lawrence Ferlinghetti mit 101 Jahren gestorben: Dichter und Lichtgestalt

Er war der Verleger der Beat Generation - und selbst ein großer Poet. Zum Tod von Lawrence Ferlinghetti.

Er sei nie ein Beat Poet gewesen, sagte er viele Jahre später. Aber natürlich wird sein Name immer mit der Beat Generation genannt werden. Der 1953 in San Francisco von Lawrence Ferlinghetti und Peter D. Martin gegründete City Lights Bookstore war ein Epizentrum der jungen US-amerikanischen Literatur und ein furchtloser, fantasiereicher Verlag. Eine Legende. Ferlinghetti publizierte 1955 Allen Ginsbergs episch-explosives „Howl“ und ging dafür ins Gefängnis.

City Lights kann als die Mutter aller Autorenbuchhandlungen gelten. Der Laden in North Beach, Columbus Avenue, existiert heute noch: ein Wahrzeichen der Stadt an der Westküste, die in den letzten Jahren Wellen brutaler Gentrifizierung erlebt hat. Auf der Website verbeugen sich die Betreiber vor Ferlinghetti, der gebürtige New Yorker starb mit fast 102 Jahren jetzt in San Francisco. Ferlinghetti prägte den Typus des umfassend gebildeten, gesellschaftlich engagierten, global agierenden Intellektuellen. Dichtung war für ihn eine öffentliche Angelegenheit, Dichter sollten sich nicht verkriechen. „Poetry a Insurgent Art“ hieß seine seiner immer wieder aufgenommenen Schriften.

Der Sommer der Liebe

Das Gedicht als Waffe. Im „Summer of Love“ 1967 war er eine treibende Kraft, und er zählte zu den Künstlern, die wegen des Vietnamkriegs Steuern einbehielten. Der Sohn eines italienischen Einwanderers und einer sephardischen Jüdin machte sich auch als Maler einen Namen. Noch bis vor Kurzem ging er, , mit Preisen hoch dekoriert, seinen Arbeiten nach. Das große, großzügige, ja vorbildliche Amerika: Dafür steht Lawrence Ferlinghetti. 1995 veröffentlichte City Light Books eine Anthologie aus vierzig Jahren verlegerischer Tätigkeit. „Wir wollten von Anfang an breit publizieren, nicht nur unsere Truppe“, schrieb Ferlinghetti zum Geleit. Und es ist irre, wer da alles auftaucht in amerikanischer Übersetzung, neben Ginsberg Frank O’Hara, Jack Kerouac. Man trifft auf Ernesto Cardenal, Pier Paolo Pasolini, Wladimir Majakowski, Jewgeni Jewtuschenko, Andrej Wossnesenski, Pablo Picasso und Jacques Prévert. Als „New Young German Poets“ stellte City Lights mit Paul Celan, Helmut Heißenbüttel, Walter Höllerer, Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger vor.

Gedichte mit Jazz

In dem Gedicht „The world is a beautiful place“ ätzt er über hirntote Kreaturen in höchsten Ämtern, die über Leben und Tod entscheiden. Da klingt eine weltweite Protestkultur an. Und dann wieder finden sich bei Ferlinghetti zarte Liebesgedichte. Ein Dante vom Hot-Dog-Stand. „A Coney Island of the Mind“ aus dem Jahr 1958 gehört mit über einer Million verkaufter Exemplare zu den erfolgreichsten Gedichtbänden überhaupt. Die Sammlung wurde in ein Dutzend Sprachen übersetzt: ein Amerika des Größenwahns, der Apokalypse, aber auch das Land des ewigen Aufbruchs. Ferlinghetti wollte, dass seine sprühenden Verse von Jazz-Musikern begleitet werden. City Lights, City Sounds.

Rüdiger Schaper

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