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Kultur: Lebenspartitur

„Unter dem Milchwald“: Dylan Thomas am DT

Eine Liebe zu den Menschen, die alles verzeiht: In seinem mit gewagter Metaphorik hoch geladenen Spiel für Stimmen „Unter dem Milchwald“ (1953) verwandelt Dylan Thomas die erfundene walisische Stadt Llaregub in einen universellen Ort. Von welchen Schrullen und Verfehlungen die Männer, Frauen, Kinder im Städtchen am Meer auch angefeuert oder geplagt sein mögen, das Böse und Schlechte löst sich auf in humorgesättigtem Verständnis und kindlich unschuldiger Naivität. Nicht weniger als 42 Figuren bauen in ihren Träumen, Liedern, Sehnsüchten und Abenteuern eine einzigartige poetische Welt.

In der Box des Deutschen Theaters kommt das als Hörspiel entworfene Stück in der Fassung von Michael Bogdanow mit sechs Schauspielern auf die Bühne. Kleine Zelte sind aufgebaut (Bühne und Kostüme: Julia Kurzweg), Liegen, Stühle. Hocker, Bierdosen, Blumentöpfe und bunte Reklame – wir sind auf einem Campingplatz. Auf dem herrscht allerdings kein hektisches Treiben, stattdessen liegt raunendes Erinnern in der Luft. Drei Männer und drei Frauen spielen ihre und viele andere Geschichten durch, wissen oft schon vorweg, was erzählt wird, genießen es mit der Lust an Herausforderung.

Sabine Auf der Heyde führt ein Ensemble, das sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch dieses Spiel der vielfachen Verwandlungen bewegt. Die Darsteller geben sich der Partitur der Stimmen hin und hören sie genießend mit. Wie von fern werden die Lebensgeschichten hereingeholt und dann voller Spaß und Ironie auf den bunten Platz gebracht. So wird „Unter dem Milchwald“ zur schauspielerisch reizvollsten Aufführung, die in der Box bisher zu sehen war – mit Lotte Ohm, Kathrin Wehlisch, Simone von Zglinicki, Michael Benthin, Thomas Schmidt und Bernd Stempel.

Schon Stempel allein wäre den Abend wert. Wie er Lieder (Musik: Jacob Suske) nicht nur singt, sondern tanzt, verzückt und geschmeidig, ganz in sich versunken und fast schüchtern dennoch Wirkung suchend, ist ein Ereignis. Die anderen stehen ihm nicht nach. Christoph Funke

Deutsches Theater, Box, weitere Aufführungen am 15. und 25. 4., 23. und 30. 5.

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