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Kultur: Leise lächelt Vladimir

KLASSIK

Wie sich Arcadi Volodos über das Podium der stark verdunkelten Philharmonie bewegt, maskenhaft, einem unsichtbaren Schienenstrang folgend, weckt er Erinnerungen an unergründliche Stummfilmfiguren. Steht der massige russische Pianist unter dem Einfluss eines Magnetiseurs, verrichtet er sein virtuoses Handwerk gar in Trance und jeglicher Kontrolle seines Willens entzogen? Berühmt geworden durch seine stupenden manuellen Fähigkeiten, verbrachte Volodos viel Lebenszeit damit, am Schallplattenspieler den legendären Bearbeitungen von Vladimir Horowitz zu lauschen, die der melancholische Virtuose nie veröffentlichte, weil er das Geheimnis seiner Kunst bewahren wollte. Und in der Tat: Wenn der zum Horowitz-Erbe ausgerufene Volodos in die Tasten greift, so erklingt, ungewollt wie unausweichlich, ein posthumer Triumph des lächelnden Vladimir. Jene von Horowitz beschworene alchemistische Verbindung von Vernunft, Herz und technischen Mitteln vermag Volodos nicht zu zaubern, weil er Emotionen und Intentionen seines Musizierens verbirgt, als stellten sie eine Gefahr für die Geläufigkeit seiner Finger dar. Letztere ist wirklich beeindruckend, in der Transparenz des non-legato-Spiels, der Kontrolle des aufwallenden Steinway-Klangs. Doch wer wird schlau aus einer rhapsodisch zerpflückten Schubert-Sonate ohne jede klangliche Identität? Worin liegt der Gewinn, wenn Liszts Charakterstücke ohne Vorstellung von Atmosphäre und Entwicklung vorbeirauschen? Da wird die Kunst immer kleiner. Spätestens nach dem ironiefrei verklingelten „Danse macabre“ erblickt man den Pianisten zur Playstation geschrumpft.

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