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Kultur: Liebe durch die Hintertür

Traumspiel: „Vergiss mein nicht!“ mit Jim Carrey und Kate Winslet

Was macht der Mann, wenn er Liebeskummer hat? Besäuft sich? Chaotisiert herum? Hämmert E-Mails an alle Verflossenen in den Computer? Fängt womöglich sogar an, Briefmarken zu sammeln? Nein, er bleibt ruhig. Denn seit es die Firma „LACUNA“ gibt, kann der Mann erinnerungstechnisch tabula rasa machen. Er händigt sämtliche Erinnerungsstücke – Fotos der Geliebten, Geschenke, gemeinsam gehörte CDs – an die Firma aus. Er lässt sich in einen anachronistischen Metallhelm zwängen und mit einem Laptop verkabeln. Und dann lehnt er sich zurück und bekommt gar nicht mit, wie ihm schrittweise alle Erinnerungsmarkierungen herausradiert werden. Danach steht er seinem Liebeskummer ziemlich emotionslos gegenüber.

Allerdings ist das Problem damit nicht gelöst. Denn man trifft sich bekanntlich zweimal im Leben – zumal wenn Regisseur und Drehbuchautor an Vorsehung in der Liebe glauben. Einerseits ist dieser Film das Werk von zwei heillosen Romantikern. Sie erzählen die Geschichte von Joel (Jim Carrey), dem Neurotiker, der sich in jede Frau verliebt, die ihm nur einen kurzen Blick widmet, und der impulsiven Clementine (Kate Winslet), die eines kalten Wintertages mehr als nur ein Auge auf Joel wirft – um ihn später buchstäblich aus ihrem Gedächtnis zu streichen. Andererseits handelt es sich bei Regisseur und Drehbuchautor um: a) den Franzosen Michel Gondry, der es mit aufwändigen Videoclips für Björk und Daft Punk zur eigenen DVD-Edition gebracht hat und mit der aberwitzigen Komödie „Human Nature“ in Hollywood debütiert (ab 10. Juni in den deutschen Kinos); sowie b) Charlie Kaufman, dem man nach „Being John Malkovitch“ und „Adaptation“ nur mit Mühe nachsagen kann, dass er seine Drehbücher nicht selbst-referentiell genug anlegt. Daraus folgt, dass „Vergiss mein nicht!“ eine Lovestory ist, aber angemessen verrückt, verspielt und verschachtelt.

Um den Zuschauer ins (Unter-)Bewusstsein seiner Hauptfigur hineinzulotsen, nutzt Gondry das Drehbuch zu verblüffenden Schnitt-, Kamera- und Ton-Tricksereien. Vor allem das Ineinanderfließen von Räumen ist es, das einem nachhaltig in Erinnerung bleibt. In einer Szene geht Joel aus der Hintertür eines Buchladens und steht plötzlich im Wohnzimmer eines Bekannten.

Der Originaltitel des Films lautet „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“, eine Zeile aus Popes Gedicht „Eloisa to Abelard“. Ob es eine kluge Entscheidung des Verleihs war, einen hochmetaphorischen Vers in ein Blumennamen-Kalauer zu verwandeln? Unbestreitbar ist: Dieser Film, der zu einer Jahreszeit spielt, für die der Ausdruck „bitterkalt“ noch viel zu heißblütig ist, lässt einen im flauschigen Kinositz frösteln – und trotzdem wird einem warm ums Herz.

Capitol, Central, Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmpalast, Filmtheater am Friedrichshain, Kino in der Kulturbrauerei, Neues Off, Cinestar Sony-Center (OV), Odeon (OmU)

Julian Hanich

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