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Kultur: Liebe ist die beste Medizin

Abenteuer Selbsterfahrung: Spiritualismus light in „Eat, Pray, Love“ und der Bhagwan-Doku „Guru“

Eat, Pray, Love: Gesprochen klingt das fast wie ein Mantra. Gelesen allerdings flott und cool wie einer der vielen amerikanischen Werbeslogans. Nur sind die auch nichts anderes als Mantras der besonderen Art.

Tatsächlich geht es in Ryan Murphys „Eat, Pray, Love“ zunächst vor allem ums Marketing. Nicht nur Elizabeth Gilberts Bestseller von 2006 soll noch einmal gepusht werden, auch ihr neuer, als Fortsetzung angepriesener Roman wartet auf Leserinnen. Und die, so hofft das indonesische Tourismus-Büro, mögen auf den Spuren von Buch und Film Bali bereisen: eine Götterinsel mit Künstlern, Wellness & Wandern und – spirituelles Upgrade – einem echten Medizinmann.

Julia Roberts spielt Liz, eine smarte, kosmopolitische Singlefrau um die 40 auf ultimativer Glückssuche. Ein Jahr lang reist sie von Italien über Indien nach Bali, um ihr durch Scheidung angeknackstes Seelenheil zu kurieren: mit gutem Essen in Rom, Meditieren im Ashram, Assistieren beim Wunderheiler und – aha! – einem neuen Mann auf Bali. Wobei letztere Wendung im Plan der Karrierefrau ausbleibt. Dafür wird der Kinogänger mit leckerem Essen, wunderbaren Stadtansichten, einer indischen Hochzeit und vor allem Julia Roberts entschädigt, stets reizend anzusehen im Ethno-Look mit Perlen- und Muschelarmbändern sowie allerlei Schals und Hütchen.

Frau folgt ihr trotzdem oder gerade deshalb gern, schwelgt in kitschigen Postkartenansichten und weint ein bisschen mit. Denn Liz’ Reisebekanntschaften schließen nur jene Art überstürzter, aber letztlich unverbindlicher Freundschaften auf Zeit, die für „Ex-Pats“ typisch sind. Wobei eine süße, dickflüssige, gleichmäßig über den Film gekippte Musiksoße die zur Schau gestellten Emotionen stets kinokalorienreich abbindet.

Ironisiert der Film zunächst angesichts des gestischen Vokabulars der Italiener mäßig witzig die Klischees, so schmeißt er sich alsbald distanzlos in seine Sujets: Indien ein exotischer Farbenrausch, Bali eine Gringo-Enklave mit einigen Einheimischen, die von der Sehnsucht der Westler nach dem Spirituellen profitieren. So sagt ein Wunderheiler in gebrochenem Englisch: „To lose balance for love is part of living balanced life.“ Der Mann weiß, was seine Klientin hören will, und schon stürzt sie sich willig in die Arme des charmanten Felipe (Javier Bardem), den sie eben noch verlassen wollte.

Dass es in Sachen fernöstlicher Spiritualismus auch mal anders zuging, zeigt die Dokumentation der Schweizer Filmemacher Sabine Gisiger und Beat Häner. Mit Hilfe zweier Ex-Jünger loten sie die Untiefen der Bhagwan-Verehrung der siebziger Jahre recht präzise aus. Damals schien es um mehr zu gehen als bloße Lebenshilfe. So jedenfalls berichten es der heute 62-jährige Schotte Hugh Milne, Leibwächter des in Europa und den USA als Sex-Guru verehrten Bhagwan Shree Rajneesh, und dessen Sekretärin, die in Indien geborene Sheela Birnstiel.

Beide waren zunächst fanatische Anhänger des Gurus, überzeugt von dessen diffusen Heilslehren, die heute eher wie ein Gemisch aus Binsenweisheiten, fragwürdigen psychotherapeutischen Ansätzen und verschwiemelten Aufrufen zur freien Sexualität wirken. Wobei Bhagwan – vor allem nach Gründung der Kommune in Oregon Anfang der 1980er Jahre – in seiner Geldgier bald selbst so pragmatisch agierte wie heute der balinesische Medizinmann. Mit erstaunlichem Archivmaterial aus den Ashrams von Poona und Oregon dokumentiert „Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard“ die Naivität einer Generation, die dem bürgerlichen, materialistisch orientierten Leben den Rücken kehren und frei von Konventionen leben wollte. Dass sie dabei einem Scharlatan verfiel, lässt sie zwar nicht gerade smart, in ihrer unbedingten Wahrheitssuche aber authentischer erscheinen als alle Elizabeth Gilberts von heute.

„Eat, Pray, Love“ läuft in 20 Berliner Kinos, „Guru“ im Babylon Kreuzberg, Broadway und Central

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