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Kultur: Liegen ohne Leiden

Beziehungsdrama mit Geschmacksverstärker: Marco Petrys Krebs-Komödie „Heiter bis wolkig“.

Todeskandidaten, so ist es ein alter Brauch, wird ein letztes sinnliches Vergnügen gewährt: die Henkersmahlzeit. Manchem Delinquenten soll sich allerdings beim Biss in Hummer, Kaviar oder Steak der Magen umgedreht haben. Auch Tim (Max Riemelt) ist ein Todeskandidat. Er sitzt zwar nicht im Gefängnis, sondern bloß in einer Bar. „Siehst du ihn da hinten am Tisch, der Junge mit den traurigen Augen?“, fragt sein Freund Can (Elyas M’Barek). Tim, fährt er fort, habe einen finalen Wunsch. Einmal noch möchte er, „tja, du weißt schon was“.

Die Mädchen wissen natürlich, was Tim möchte, und weil er so traurig guckt und der Freund so freundlich bittet, schenken sie ihm eine letzte Liebesnacht. Worauf noch eine allerletzte und noch eine allerallerletzte Nacht mit jeweils anderen Mädchen folgt, denn in Wirklichkeit ist Tim gar nicht krank und das Ganze bloß eine Abschleppmasche. Eine ziemlich erfolgreiche Masche, bis der angebliche Hirntumorpatient mit Marie (Anna Fischer) im Bett landet und aus dem Zimmer nebenan ein schleimig-dumpfes Husten dringt. Es stammt von Maries Schwester Edda (Jessica Schwarz). Sie hat Lymphdrüsenkrebs.

Als Edda dann Tim kennenlernt, fragt sie bloß: „Wie lange noch?“ Er stammelt: „So ungefähr, äh, ein halbes Jahr.“ Worauf sie entgegnet: „Cool. Ich habe noch drei Monate.“ Das klingt unsentimental und mutig, todesverachtend zynisch, und wenn Marco Petrys Film „Heiter bis wolkig“ diesen Ton beibehalten hätte, wäre er vielleicht eine richtig böse schwarze Komödie geworden. Aber böse möchte das im rheinisch-feuchtfröhlichen Köln angesiedelte Lustspiel überhaupt nicht sein, es benutzt das Thema Krebs nur als spirituellen Geschmacksverstärker für eine romantische Komödie der herkömmlichsten Art.

Edda durchschaut Tim ziemlich schnell, lässt sich aber darauf ein, mit ihm das Spiel von der tödlichen Erkrankung noch eine Weile weiterzuspielen. Weil es Marie gefällt, dass sich die beiden vermeintlichen Leidensgenossen so gut verstehen. Jessica Schwarz spielt diese junge Frau, die im Angesicht des Todes noch einmal das Leben auskosten möchte, mit wütendem Furor. Edda rächt sich an ihrer ehemaligen Chefin, die ihr gleich nach der Diagnose den Job gekündigt hatte, indem sie ihr eine Ziegenherde ins Blumengeschäft treibt. Sie prellt die Zeche im Gourmetrestaurant, rast mit Bleifuß über Landstraßen und beginnt Prügeleien. Tim ist immer dabei, als Verbündeter, Prellbock und Sidekick. Aber ein Paar wird nicht aus ihnen. Dabei hätte die verbotene Liebe zwischen einem Kerngesunden und einer Todgeweihten den Film vielleicht retten können. So ist er bloß eines: sterbenslangweilig. Christian Schröder

in zehn Berliner Kinos

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