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Franz Kafka: Wenig Enthüllung

Der britische Schriftsteller James Hawes hat angeblich Franz Kafkas Pornoheftsammlung entdeckt. Für Kafka-Biograf Reiner Stech ist die Geschichte ein reiner Marketing-Gag. Und von Pornos kann sowieso keine Rede sein.

Berichte über eine Pornosammlung des Autors Franz Kafka sind nach Ansicht seines Biografen Reiner Stach ein "Marketing-Gag" für das neue Buch des Briten James Hawes. "Excavating Kafka" soll es heißen und Franz Kafkas Pornohefte sollen darin aus dem Regal geholt werden, titelte die "Times". Stach hält dagegen:  "Es ist keine Entdeckung. Diese Zeitschriften sind keine Pornosammlung". Dass Kafka (1883-1924) Magazine mit pornografischen Darstellungen besessen habe, sei weder neu, noch habe Kafka bisher als keusch oder heilig gegolten. 

"Unglaublicher Marketing-Gag"

"Das Ganze kommt mir vor wie ein unglaublicher Marketing-Gag, der auch funktioniert", sagte Stach. Die Nachricht, dass der britische Biograf James Hawes, Professor für Kreatives Schreiben an der Brookes University in Oxford, Kafkas Porno-Nachlass entdeckt habe, stand heute in beinahe jedem Feuilleton. Doch von einer "Neuentdeckung" kann keine Rede sein.

Es sei längst bekannt, dass Kafka als 24-Jähriger zusammen mit seinem Freund Max Brod die Magazine "Amethyst" und "Opale" abonniert gehabt habe. Außer Texten enthielten sie auch Bilder. "Es waren zwar pornografische Darstellungen dabei, aber Sie dürfen sich das nicht so vorstellen wie die harte Pornografie heute. Das sind Zeichnungen, keine Fotos. Das sind spielerische Darstellungen, die haben zum Teil karikaturistischen Wert", sagte Stach. Auf einer Zeichnung aus der Zeitschrift "Der Amethyst" ist beispielsweise eine nackte Frau mit sechs Brüsten zu sehen, an denen Rehkitze saugen. Die Zeichnung ist von Th. Th. Heine und zeigt schlicht ein Fabelwesen in einem Märchenwald.

Kafka habe sie auch nicht streng versteckt, sondern in seinem Bücherschrank gelagert. Dass er diesen abschloss, begründete er 1907 in einem Brief an Brod aus dem Urlaub ganz anders: In dem Schrank lag auch sein Sparbuch, und von dem durfte seine Familie nichts wissen. Kafka bot Brod in dem Brief an, den Schlüssel zu schicken. "Schon das widerlegt die These von der heimlichen Pornosammlung", meint Stach. Denn Kafkas Mutter hätte mit Sicherheit danebengestanden, wenn Brod an den Schrank seines Freundes gegangen sei.

Altbekanntes neu enthüllt

Die Existenz der Hefte sei auch keineswegs von Biografen verschämt verschwiegen worden. Klaus Wagenbach habe schon vor 50 Jahren darüber geschrieben. "Auch ich werde natürlich in dem Band, der jetzt noch kommt, darüber schreiben - aber so bedeutend scheint mir das wirklich nicht", sagte Stach. Er legte bisher zwei Bände über Kafka vor. Den dritten über seine Jugend stellte er zurück, bis wichtige zusätzliche Quellen zugänglich sind.

Auch das Kafka-Bild, das Hawes unterstelle, stimme nicht, sagte Stach. Spätestens seit den 50er Jahren stehe Kafka nicht mehr auf
einem Heiligensockel. Es sei zum Beispiel schon lange bekannt gewesen, dass Kafka zeitlebens auch gerne mal ein Bordell besuchte.  (Gespräch: Jürgen Hein/yr/dpa)

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