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Jeffery Deaver: Netzspurenlese

Jeffery Deaver jagt einen kriminellen Datensammler.

Mit dem World Wide Web hatte Lincoln Rhyme bisher nicht viel zu tun. Der freischaffende Tatort-Analytiker aus New York untersuchte Hautfetzen und Knochensplitter, Straßendreck und Gerüche und – Mordmethoden. Vor allem wegen seiner Querschnittslähmung mochte man mit ihm kaum tauschen. Es hielt ihn indes nicht davon ab, nach ein paar hundert nervenaufreibenden Seiten dem jeweiligen Mörder auf die Spur zu kommen. „Der Täuscher“ aber, mit dem es Rhyme und seine geliebte Kollegin Amelia Sachs im gleichnamigen Roman zu tun haben, zerrt das Ermittlerpaar in eine Gegenwart, in der sich beide nicht so sicher wie sonst zurechtfinden.

Jeffery Deavers Kriminalromane sind schnell und meistens perfekt konstruiert. Sie transportieren weder gesellschaftspolitische Thesen noch Grundlegendes zum Thema Gut und Böse, dafür aber Sachkunde und kriminelle Energie. Lincoln Rhyme ist ein Jäger –  doch jetzt hat er ein Gegenüber, das ihm in der Welt der Daten voraus ist. Der Mann, der zum brutalen Beginn dieses Krimis eine Frau tötet, die sich gerade in ihn verlieben wollte, stellt elektronische Profile seiner Opfer aus Datenbanken zusammen. Zugang verschafft er sich in einem Unternehmen, mit dem vermutlich viele Krimileser mehr zu tun haben als sie denken: einer Datensammelfirma.

Vorlieben, Abneigungen, wie sie sich im Kontakt mit Internetverkäufern zeigen, Anschaffungen, Abonnements für Fernsehsender, Behördenkontakte, Aufenthalte in Chatrooms: Der „Täuscher“ hat auf dem Schirm, was er wissen muss, um sich das Vertrauen künftiger Opfer zu erschleichen. Er kennt sie, bevor sie ahnen, dass er hinter ihnen her ist. Als es dennoch eng wird für ihn, wendet er sich mit seiner Tastatur als Waffe gegen die Ermittler, die hinter ihm her sind. Er konstruiert Vorgänge: Anzeigen bei Behörden, veränderte Kontostände. Da geht bei Rhyme das Licht aus, weil er seine Stromrechnung angeblich nicht bezahlt hat, da steht die aus Polen stammende Frau eines Ermittlers plötzlich ohne Aufenthaltserlaubnis da. Die Idee hat, zugegeben einiges mit George Orwells „1984“ gemein. Aber wer hätte gedacht, dass es so schlimm wird.

Jeffery Deaver:

Der Täuscher. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Haufschild. Blanvalet,

München 2009.

544 Seiten, 19,95 €.

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