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Constantin Schreiber untersucht Schulbücher: Junge Muslime lernen schiefes Bild vom Judentum

Constantin Schreiber untersucht Schulbücher aus muslimischen Ländern.

Schulbücher sind stets ein Spiegel der Gesellschaft. Hier schlägt sich nieder, wie weit sie sich kritisch-aufklärend mit ihrer Kultur und Geschichte auseinandersetzt. Doch was tut sich in den Schulbüchern undemokratischer Staaten? Die Frage quält umso mehr, als immer mehr Kinder und Jugendliche aus autoritären Systemen zu uns kommen und das Gepäck der Indoktrination mitbringen.

Längst sorgen deutsch-polnische oder deutsch-französische Schulbuchkommissionen dafür, dass keine chauvinistischen Narrative gepflegt werden. So lernt kein deutsches Kind, dass die Polen 1939 Deutschland überfallen hätten. In türkischen Schulbüchern hingegen lernen die Kinder, dass 1915 die Türken Opfer der Armenier gewesen wären. Der Völkermord an den Armeniern findet im Schulbuch nicht statt.

Constantin Schreiber hat sich nach seinem großen Moscheen-Report die Schulbücher von fünf muslimischen Ländern vorgenommen. Aus mehr als einhundert wählte er für je ein Land ein Buch für ein Fach und eine Jahrgangsstufe aus. Ethik für das neunte Schuljahr im Iran, Geschichte für die sechste Klasse in Ägypten, arabische Sprache in Palästina, Sozialkunde für die sechste Klasse in der Türkei und Religion für die zehnte in Afghanistan. Schreiber analysiert die Texte und lässt eine Erziehungswissenschaftlerin und eine Sachbuchdidaktikerin die Inhalte kommentieren.

Regeln für jede Lebenslage

Beide schwanken zwischen Entsetzen und Ratlosigkeit angesichts der Gefühle, die die Schulbücher auszulösen trachten. Im Religionsbuch wird Angst geschürt. Es geht nur um Islam, andere Religionen kommen nicht vor. Im Ethikbuch geht es um das Verhalten eines wahren Muslims, um geschlechtsspezifisches Verhalten, um Bekleidung und gottgefälliges Benehmen. „Das ist keine Ethik, wie wir sie verstehen. Hier geht es um die Frage, wie handle ich als religiöser Mensch“, konstatiert eine Expertin.

In dem Ethikbuch ist ein gefaktes Bild von Iwo Jima abgebildet: Es zeigt freilich nicht die amerikanischen Soldaten, die auf Schutt und Kriegsgerät die Fahne auf der japanischen Insel aufrichten. Sie stehen auf Bergen von Leichen, die unschwer als Araber zu erkennen sind. „Jenseits des Akzeptablen“, grollt eine Fachfrau. Die Fälschung ist perfide. „Diskutiert untereinander die Aussage dieses Bildes“, lautet die zynische Aufgabe für die iranischen Schüler.

Israelis als Kolonialisten

Im ägyptischen Geschichtsbuch verklärt die Klitterung das eigene Versagen in allen arabisch-israelischen Kriegen. Die Juden – selten „Israelis“ genannt –, die 1948 bei der Staatsgründung mit primitiven Eigenbau- oder geschmuggelten Waffen fünf arabische Armeen abwehren mussten, mutieren hier zu übermächtigen Kolonialisten. Die Expertin fand das ägyptische Schulbuch eindeutig-einseitig in der Freund-Feind Darstellung und aggressiv in der Sprache. Sie bemängelt, dass in der historischen Darstellung des Konflikts die Vertreibung und Flucht der großen jüdischen Bevölkerung aus allen arabischen Ländern nicht erwähnt wird. Antisemitismus beherrscht das Narrativ.

Das wird noch deutlicher in dem palästinensischen Schulbuch für arabische Sprache. Schreiber hatte vermutet, dass die Schüler hier mit hocharabischen Texten konfrontiert würden, stattdessen ist auch dieses Buch eine Art Kampfschrift.

Massaker der "Zionisten"

„Das Massaker von Tantura“ heißt eine Erzählung. Der Text wirft Israel vor, ein Massaker an der arabischen Bevölkerung verübt zu haben. Tatsächlich wurde der strategisch bedeutsame Ort heftig umkämpft. Es starben Bewaffnete wie Zivilisten. Freilich liest man nichts von den Massakern an Israelis vor und während des Krieges. Das Wort Israel kommt im ganzen Buch nicht vor. „Israelis“ heißen meist „Zionisten“ oder „Juden“, und die sind brutal und böse.

Hingegen wird die Sprache blumig und süßlich, wenn es um Araber geht (damals nannten sie sich nicht „Palästinenser“). „Absolut einseitig“ nennt der deutsch- israelische Psychologe Ahmad Mansour den Text: So werde nur Hass geschürt und eine Auseinandersetzung unmöglich gemacht.

Moderner und hochwertiger kommt das türkische Sozialkundebuch daher. Die Schüler werden in den Unterrichtseinheiten zur Diskussion – und nicht wie im iranischen Buch zum Beten – aufgefordert. Doch auch hier wimmelt es von Propaganda und Unwahrheit. Menschrechtsverletzungen gibt es nicht, das eine, einheitliche türkische Volk wird beschworen, als wäre das Land nicht von ethnischer Vielfalt geprägt. Der Sieg über den Putsch von 2016 wird glorifiziert.

Ernüchternde Analyse

Schreibers Buch ist ein ernüchterndes, ja hoffnungsloses Werk. Was ist von Menschen zu erwarten, die mit so viel Hass, Frauenfeindlichkeit, Nationalismus und Antisemitismus groß werden? Wer soll sie „entlernen“? Schreiber fordert die deutsche Regierung zur Überprüfung der Millionenzahlungen auf, die angeblich für die Bildung und Schulbücher gedacht sind. Deutschland dürfe „nicht einen einzigen Euro zu antisemitischen Schulbüchern in der muslimischen Welt beisteuern“, fordert Schreiber. Leider wissen die Kulturbürokraten oft nicht, was sie fördern. Und auch das hat Schreiber sorgfältig recherchiert.

Constantin Schreiber: Die Kinder des Koran. Was muslimische Schüler lernen. Econ Verlag, Düsseldorf 2019. 304 S., 18 €.

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