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Literatur-Nobelpreis: Macht DeLillo das Rennen?

Don DeLillo aus den USA, der Südkoreaner Ko Un oder DeLillos Landsleute Thomas Pynchon und Philip Roth: So lauteten am Wochenende in Stockholm die "heißesten" Tipps für die Vergabe des diesjährigen Literaturnobelpreises am kommenden Donnerstag.

Kaum hat die Schwedische Akademie den Termin für die Nennung des Preisträgers mitgeteilt, läuft der alljährliche Spekulations-, Rate- und Indiskretions-Zirkus auf Hochtouren: Ist mal wieder eine Frau "dran", worüber äußern sich Insider verdächtig intensiv, und wen kann man eigentlich ausschließen?

Da fiel schon auf, dass die Stockholmer Zeitung "Dagens Nyheter" am Wochenende gleich über zwei Seiten den US-Romancier Philip Roth (74) in den Himmel hob. "Er hat seine besten Bücher jetzt im Spätstadium des eigenen Lebens geschrieben. Nach allen möglichen Auszeichnungen fehlt eigentlich nur noch der Nobelpreis", orakelte das Blatt, das in den letzten Jahren mit seinen Tipps einige Male richtig gelegen hatte. Allerdings genau so oft auch falsch.

Dauerschreiber DeLillo

Seit der Vergabe 1993 an die Schriftstellerin Toni Morrison (76) ist der Preis nicht mehr in die USA gegangen. Roth wird seit Jahren immer wieder als einer der aussichtsreichsten Anwärter genannt. In diesem Jahr allerdings weniger häufig als sein Kollege Don DeLillo (70). "Wir lesen immer das komplette Werk eines Autoren, und das mehrmals", behauptet der oberste Nobel-Juror Horace Engdahl in einem Interview mit "Aftenposten". Bei realistischer Betrachtung spricht auch das eher für DeLillo, der ebenso wie der Daueranwärter Thomas Pynchon (70) recht sparsam veröffentlicht. Roth dagegen "spuckt" förmlich einen neuen Roman nach dem anderen aus.

Gute Außenseiterchancen hat der Portugiese António Lobo Antunes (65), ein weiterer Daueranwärter. Als echter Favorit dieses Jahres mindestens so unüberhörbar wie über DeLillo wird in Stockholm über den südkoreanischen Lyriker Ko Un (74) spekuliert. Schon 2004 galt er als "fällig", hatte dann aber das Nachsehen gegenüber der Österreicherin Elfriede Jelinek (60). Ähnlich wie bei der Vergabe an Pamuk als Kritiker einer islamisierten Türkei wäre auch Ko Un wiederum ein politischer Preisträger: Der Südkoreaner hat sich nicht zuletzt einen Namen bei den erfolgreichen Bemühungen um die Demokratisierung seiner Heimat und um die friedlichen Aussöhnung mit Nordkorea gemacht.

Nobelpreis für einen "Unsichtbaren"?

Deutschsprachige Anwärter sind Mangelware. Die total überraschende Auszeichnung der Wienerin Jelinek vor drei Jahren gilt in Stockholm inzwischen mehr und mehr als Fehlentscheidung. Was auch die Preisträgerin damals selbst so empfand: Sie sei doch nur eine "gute Regionalschriftstellerin", meinte Jelinek in selten zu erlebender Selbstbescheidung. Sie spiele absolut nicht "in derselben Liga wie ein Thomas Pynchon".

Als wichtigster Einwand gegen die Vergabe des Preises und der damit verbundenen zehn Millionen Kronen (1,1 Millionen Kronen) an Pynchon galt immer, dass der total zurückgezogen in New York lebende Autor von Ausnahmeromanen wie "Das Ende der Parabel" keine öffentliche Person sein will. Pynchon würde sich mit Sicherheit nicht den obligatorischen Frack bei der Preisverleihung am 10. Dezember überstreifen oder überhaupt nur in Stockholm erscheinen.

"Karnevalistische Begebenheit"

Doch der Stockholmer Buchverleger Svante Weyler hält das mittlerweile nicht mehr für ein schlagendes Argument: "Horace Engdahl hat förmlich zu seinem Markenzeichen gemacht, dass die Schwedische Akademie bei der Vergabe des Nobelpreises allgemeine Erwartungen gerade nicht erfüllen, sondern überraschen will." Engdahl selbst über die Spannung um den begehrtesten Literaturpreis der Welt in "Aftenposten": "Das Ganze ist ein Medienhappening und eine karnevalistische Begebenheit."

Thomas Borchert[dpa]

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