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Politische Literatur: Ahnungslos im Ausland

Suche nach Frieden: Drei Bücher über die Versuche der USA, den Nahostkonflikt zu lösen.

Kein amerikanischer Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Nahen und Mittleren Osten mit so vielen Vorschusslorbeeren bedacht worden wie Barack Obama. Sein Mittelname Hussein, seine afrikanischen Wurzeln und seine Rede in Kairo mit der Versöhnungsofferte an die arabische und islamische Welt haben dem Mann im Weißen Haus unter den 1,5 Milliarden Muslimen des Globus eine einzigartige Popularität beschert. Noch lassen die ersten großen politischen Initiativen auf sich warten, sieht man von dem begonnenen Truppenrückzug aus dem Irak einmal ab. Neben Irak und Afghanistan hat Obama auch den Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu seinen außenpolitischen Prioritäten erklärt – wohl wissend, dass es hier wenig zu gewinnen und viel zu verlieren gibt. „Dabei springt kein Friedensnobelpreis heraus“, soll Vorgänger George W. Bush gleich zu Anfang seiner ersten Amtszeit gespottet haben, um das heikle Thema dann für mehrere Jahre auf die Seite zu legen. Sein Nachfolger hat den Friedensnobelpreis schon in der Tasche, bevor er überhaupt in die dornigen Details der Unruheregion eingestiegen ist. Und egal, was sich das Nobelkomitee in Oslo mit seiner Entscheidung erträumt hat, der Spielraum der westlichen Supermacht ist vor Ort bisweilen frappierend gering – so das übereinstimmende Fazit mehrerer langjähriger Nahostberater des Weißen Hauses. Trotzdem krönen sie alle ihre politisch-analytischen Rückblicke auf die letzten beiden Jahrzehnte mit Ratschlägen an die neue Administration.

In ihren Büchern ziehen die US-Nahostveteranen erfrischend kritisch und nüchtern Bilanz, räumen mit eingeschliffenen Mythen auf und schonen bisweilen auch sich selbst nicht. So zeichnen sie das Bild einer amerikanischen Politik, die gepflastert ist mit strategischen Fehlern, irrealen Erwartungen, zerschlissener Friedensrhetorik und schlampig vorbereiteten Gipfeln. Ein ums andere Mal fuhr sich die westliche Supermacht in dem nahöstlichen Sumpf fest – mal naiv, mal ignorant, mal überehrgeizig und immer wieder von lokalen Größen an der Nase herumgeführt.

„The Much Too Promised Land“ heißen dann auch Aaron David Millers sehr persönliche, teilweise tagebuchartige Erinnerungen an „Amerikas schwer zu fassende Suche nach einem arabisch-israelischem Frieden“. Miller war seit den Zeiten Ronald Reagans Nahostberater für insgesamt sechs Außenminister, bevor er 2006 aus dem Staatsdienst ausschied. Daniel C. Kurtzer diente zwischen 1995 und 2007 als amerikanischer Botschafter sowohl in Tel Aviv als auch in Kairo und zählt heute zu den engsten Beratern von Barack Obama. Zusammen mit dem Politologen Scott B. Lasensky erarbeitete er eine Studie zur „amerikanischen Führungsrolle im Mittleren Osten“. Gut 100 ehemalige und aktive Politiker haben die beiden dafür befragt – alle waren an wichtigen Politikhebeln der Region tätig. Der analytische Extrakt besteht aus zehn klar argumentierenden „gelernten Lektionen“, gefolgt von einer Handvoll Ratschlägen für die Zukunft. Martin Indyks Werk über die Clinton- und Bush-Jahre hingegen ist breiter angelegt, weil es sich neben dem Nahostkonflikt auch mit Irak und Iran beschäftigt. „Ahnungslos im Ausland“ heißt der übersetzte Buchtitel – selbstironischer könnte die Beschreibung der amerikanischen Rolle im Nahen Osten kaum ausfallen. Der Autor, der wie Aaron Miller jüdischer Herkunft ist, war zweimal US-Botschafter in Israel und gehört heute zum Beraterstab von Außenministerin Hillary Clinton.

Aaron Miller beschreibt die Ohnmacht von „Gulliver“-USA gegenüber den „Zwergen“ Israel, Syrien, Libanon und Palästina am anschaulichsten. Das Arsenal der lokalen Potentaten, unbequeme Kompromisse zu vermeiden oder auf Zeit zu spielen, ist schier endlos. Kleine Mächte agieren, große Mächte reagieren, lautet sein Fazit. In einem Punkt jedoch ist Miller sich mit Kurtzer und Lasensky einig: Am erfolgreichsten waren die US-Regierungen von Jimmy Carter und George H.W. Bush senior, weil sie bereit waren, auch Israel gegenüber Härte zu zeigen und dem Druck der jüdischen Lobby in den USA zu widerstehen. George W. Bush junior und Bill Clinton dagegen ließen diese Bereitschaft vermissen. Clinton steckte zwar enorme Energien in die Nahostpolitik, sein zu einheitliches Beraterteam aber betrachtete „die Dinge hauptsächlich aus israelischer Perspektive“, urteilt Miller. Entsprechend weit zurück lägen die letzten greifbaren Erfolge amerikanischer Nahostdiplomatie: Jimmy Carters Friedensabkommen von Camp David 1978 zwischen Menachem Begin und Anwar al Sadat sowie Bush seniors Konferenz in Madrid 1991, die selbst wenig Ergebnisse brachte, aber die Tür für die Osloverträge öffnete.

Miller reflektiert dann auch am ausführlichsten die Probleme, die mit einer zu engen Tuchfühlung zwischen der amerikanischen und israelischen Seite entstehen. So manövrierte im Sommer 2000 der bereits ohne Knesset-Mehrheit regierende israelische Premier Ehud Barak Präsident Clinton in den zweiten Camp David Gipfel hinein, der mit einem fulminanten Fehlschlag endete und die verheerende Zweite Intifada nach sich zog. Clinton hielt nicht genug Distanz zu Barak, der ihn praktisch täglich im Weißen Haus anrufen konnte – eine ungewöhnliche und, wie Miller meint, politisch schädliche Bevorzugung für einen der beiden Kontrahenten. Im Nachgang zu Camp David durfte Barak dann – unwidersprochen vom Weißen Haus und entgegen alle Zusicherungen Clintons vor dem Gipfel – den Mythos „von dem besten Angebot jemals“ an die Palästinenser verbreiten und PLO-Chef Jassir Arafat die gesamte Schuld an dem Scheitern zuschieben. Fast ein Jahrzehnt später nun, nachdem sich diese Version als landläufige Meinung in allen gängigen Nahostforen etabliert hat, stellen die Bücher der Gipfelzeugen Indyk und Miller klar, dass die israelische Seite eine erhebliche Mitverantwortung an dem Scheitern trug. Barak wollte im Vorfeld des Gipfels plötzlich frühere Vereinbarungen neu verhandeln. Darüberhinaus erschienen die amerikanischen Vermittler zum Konferenzort schlecht vorbereitet.

Dennoch plädieren alle Autoren am Ende ihrer Bücher dafür, dass der neue Chef im Weißen Haus den Nahostkonflikt wieder ganz oben auf seine außenpolitische Agenda setzt. Allerdings sollten die USA künftig ausgewogener agieren, israelischem Fehlverhalten genauso entschieden entgegentreten wie palästinensischem. Auch die übrigen arabischen Staaten müssten stärker in die Friedenssuche eingebunden werden – eine Strategie, die sich mit Obamas Rede in Kairo und seiner Forderung eines israelischen Siedlungsstopps bereits in ersten Zügen abzeichnet. Am Ende sollte der amerikanische Präsident der Weltöffentlichkeit dann zentrale Prinzipien für einen tragfähigen Friedensvertrag vorlegen, welche den Friedenswilligen auf beiden Seiten eine Perspektive bieten und den Palästinensern einen glaubwürdigen Weg zu einem eigenen Staat. Vielleicht könnten die Vereinigten Staaten dann doch noch die Lösung schaffen, schreibt Miller, „zusammen mit mutigen und entschlossenen Arabern und Israelis – und mit einer Riesenportion Glück“.

Aaron David Miller: The Much Too

Promised Land. America’s Elusive Search

for Arab-Israeli Peace. Bantam Books,

New York 2009. 407 Seiten, 26 Dollar.

– Daniel C. Kurtzer, Scott B. Lasensky:

Negotiating Arab-Israeli Peace.

American Leadership in the Middle East.

United States Institute of Peace Press,

Washington 2008. 191 Seiten, 16, 50 Dollar.

– Martin Indyk: Innocent Abroad. An Intimate Account of American Peace Diplomacy in the Middle East. Simon & Schuster, New York 2009. 494 Seiten, 30 Dollar.

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