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RAF: Wie von Geisterhand geführt

Schweigekartelle: Michael Buback behauptet in seinem Buch, dass es für die RAF-Terroristen "einen Schutz" gab.

Am Gründonnerstag 1977 ereignete sich in Karlsruhe das erste politisch motivierte Attentat der deutschen Nachkriegsgeschichte: RAF-Terroristen ermordeten Generalbundesanwalt Siegfried Buback sowie seine Begleiter Wolfgang Göbel und Georg Wurster. Bis heute ist es den Strafverfolgungsbehörden angeblich nicht gelungen, dieses Verbrechen aufzuklären. Zwar wurden einige Terroristen als "Mittäter" zu lebenslanger Haft verurteilt, wer in Karlsruhe den Finger am Abzug der Schnellfeuerwaffe hatte, mit der vom Beifahrersitz eines Motorrades die drei Männer in Bubacks ungepanzertem Dienstwagen erschossen wurden, blieb 30 Jahre lang verborgen. Der Sohn Bubacks wollte wissen, wer seinen Vater umgebracht hatte, und gab nicht nach, zu forschen.

Von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, für die sein Vater das Leben ließ, wird Michael Buback inzwischen nicht mehr mit dem Respekt behandelt, den Hinterbliebene von Terroropfern verdienen, sondern eher wie ein dahergelaufener Querulant. Er legte seine Finger in Wunden, von denen manche deutsche Behörden schon glaubten, sie geschlossen zu haben. Er fand heraus, dass es erhebliche Unklarheiten bei Aufklärung und Strafverfolgung des Karlsruher Attentats gab. Je mehr er sich der Wahrheit zu nähern schien, desto größere Ablehnung erfuhr er. Als der Chemie-Professor mit Unterstützung von Journalisten herausfand, dass auf irgendeine Art deutsche Geheimdienste in das Terror-Attentat verwickelt sein könnten, verschlossen sich die wichtigsten Quellen zur Aufklärung nicht nur vor ihm. Der Bundesinnenminister erklärte das wichtigste Dokument dazu für alle Ewigkeit zum Staatsgeheimnis.

Nun hat Michael Buback ein Buch über die Vorgänge geschrieben: "Der zweite Tod meines Vaters." Darin beschreibt er zunächst sehr persönlich, wie er bei einem Skiurlaub vom Tod seines Vaters erfuhr. Ohne jede polizeiliche Begleitung oder andere staatliche Unterstützung musste der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts mit seiner Frau im eigenen Auto von Zermatt nach Hause fahren. Die Mutter des Autors, Witwe des Generalbundesanwalts, wurde nicht etwa psychologisch betreut, nachdem man ihr den Tod ihres Mannes mitgeteilt hatte - sie fuhr alleine mit dem Fahrrad zum Tatort, dort wusste niemand etwas mit ihr anzufangen und so ließ man sie alleine wieder zurückradeln.

Für Buback besteht kein Zweifel am Schutz für RAF-Täter

Die ersten Tatzeugen sprachen gegenüber der Karlsruher Polizei ihre Vermutung aus, dass eine kleine schmächtige Frau, vermummt in Motorradkleidung und Helm, vom Soziussitz aus auf Buback und seine Begleiter geschossen haben könnte. Erstaunlicherweise tauchten diese Zeugenaussagen aber nie in späteren Prozessen gegen RAF-Terroristen auf, die wegen Mittäterschaft verurteilt wurden. Kurze Zeit nach dem Attentat wurde die RAF- Terroristin Verena Becker mit einem Kumpan in Singen verhaftet, bei ihnen fand man die Tatwaffe, mit der Buback erschossen worden war, und weitere wichtige Spuren, die auf ihre Täterschaft hindeuteten. Verena Becker wurde in einem Beschluss des Ermittlungsrichters vom Bundesgerichtshof konsequenterweise als tatverdächtig bezeichnet. Das konnte bis heute geheim gehalten werden.

Irgendwie verschwand aber auch diese Erkenntnis wie von Geisterhand geführt aus allen Akten. Becker wurde wegen anderer Taten in einem auffallend kurzen Prozess rasch verurteilt, aber bald durch einen politischen Gnadenakt höchstwahrscheinlich nach einer Geheimkonferenz von Politikern, an der auch leitende Geheimdienstmitarbeiter teilgenommen haben sollen, wieder freigelassen. Erst Jahrzehnte später kam ans Tageslicht, dass sie - auf welche Weise auch immer - mit einem deutschen Geheimdienst zusammengearbeitet hatte.

Mit wissenschaftlicher Akribie schildert Michael Buback in dem Buch seine Bemühungen, Licht ins Dunkel der verschlossenen Akten zu bringen, die staatliche Mauer des Verschweigens, Vertuschens, Verbergens und Deckens von Terroristen zu durchbrechen. Für den Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts steht fest: Sein Vater hatte nicht nur Feinde im Lager der RAF; es sei schwierig, aufzudecken, wem er sonst noch im Weg stand, denn es gebe auch außerhalb der RAF "Schweigekartelle". Er und seine Frau hätten eine "klare Vorstellung davon, wer auf dem Tatmotorrad saß, und auch davon, wer es lenkte und wer die drei Menschen erschoss".

Michael Buback erklärt, er werde dieser Frage jetzt nicht weiter nachgehen, weil er keine Chance sehe, weitere "Fortschritte zu erzielen". Es bestehe für ihn und seine Frau "kein Zweifel mehr", dass es für RAF-Täter "einen Schutz" gab.

Selbst in der neuesten Ausgabe des allseits als Standardwerk über die RAF angesehenen Buchs von Stefan Aust ("Der Baader-Meinhof-Komplex") geht der Autor inzwischen davon aus, dass es "zahlreiche Indizien für geheimdienstliche Aktivitäten" im Zusammenhang mit der RAF-Geschichte gebe. Corinna Ponto, die Tochter eines ebenfalls von RAF-Terroristen ermordeten Bankers, schreibt in einem Buch: "Ich behaupte zudem, die Terroristen hingen zum großen Teil an Fäden und Drähten, die sie wahrscheinlich selbst bis zum heutigen Tag nicht ganz durchschauen." Wer die 30 Jahre lang geheim gehaltenen Urteile gegen die RAF-Mitglieder liest, findet heraus, dass sage und schreibe 14 dieser Terroristen für einen Geheimdienst gearbeitet haben.

Michael Buback: Der zweite Tod meines Vaters. Droemer/Knaur Verlag, München 2008. 368 Seiten, 19,95 Euro.

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