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Sabine Ludwig: Wenn Roboter die Mütter ersetzen

Mit „Die schrecklichsten Mütter der Welt“ ist Sabine Ludwig mal wieder eine Punktlandung gelungen. Dass gerade die Mutterliebe auch zuweilen übers Ziel hinausschießt, ist ja nicht neu, aber wie die Autorin hierzu die neuen Kommunikationsmittel abenteuerliche Geschichte gießt, ist zauberhaft.

Bruno wird von seiner Mutter ständig zum Klavierüben angehalten, wiewohl er kein Talent dafür hat und lieber boxen würde. Emilys Mutter ist so tollpatschig wie unzuverlässig, und die Mutter von Sofia hat nur Augen und Ohren für Sofias kleinen Bruder. Unabhängig voneinander finden die drei geplagten Kinder unter www.schreckliche-muetter.de eine Plattform für ihre Sorgen und nehmen mit den detaillierten Angaben zu ihrer Situation gleichzeitig an einem Wettbewerb um die schrecklichste Mutter der Welt teil. Nur kurze Zeit später sind ihre Mütter ohne Abschied verschwunden und die Kinder treffen auf ihnen unbekannte Tanten, die nun auf sie aufpassen sollen.

Scheinbar paradiesische Zeiten beginnen, gehen die Tanten doch auf die Kinder ein, wie sie sich das immer gewünscht haben – doch dann suchen alle drei erneut Rat im Internet und treten dabei auch in direkten Kontakt. Sie stellen fest, dass jede ihrer Tanten „Anna“ heißt, im Nacken das Logo einer Spielzeugfirma trägt und zuletzt Fehlfunktionen offenbart hat – ganz offensichtlich handelt es sich bei ihnen also um Roboter, und die Kinder fragen sich, was denn aus ihren Müttern geworden ist ...

Mit „Die schrecklichsten Mütter der Welt“ ist Sabine Ludwig mal wieder eine Punktlandung gelungen. Dass gerade die Mutterliebe auch zuweilen übers Ziel hinausschießt, ist ja nicht neu, aber wie die Autorin hierzu die neuen Kommunikationsmittel, den Erfindergeist eines verkannten Genies und die Weltverbesserungsabsichten eines Geschäftsmannes in eine abenteuerliche Geschichte voller Situationskomik gießt, lässt sich mit dem angelsächsischen Erzählerformat eines Louis Sachar oder M. G. Bauer vergleichen.

In einem parallelen Erzählstrang wird das Leiden der Kinder von den neuen Leiden der Mütter unterstrichen, die sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen unverhofft einem Vierwochenkurs zur Verbesserung ihrer Erziehungsfähigkeiten auf einer Nordseeinsel ausgesetzt sehen. Wie nach der ersten Abwehr unter ihnen die auch Kindern bekannten Gesetze der Gruppendynamik greifen, ist so wunderbar selbstironisch wie deren Befreiung durch die Kinder spannend ist.

Es ist – wie bei Goethes „Zauberlehrling“ – leichter, Geister zu rufen, als sie wieder loszuwerden, und so entwickelt sich auch hier das Gutgemeinte zu einer für die Mütter lebensbedrohlichen Situation. Umso bemerkenswerter das Talent der Autorin, die in dem Plot versteckten Klippen und Fallstricke in gekonnter Leichtigkeit zu umgehen, respektive plausibel aufzulösen, sodass bei aller Situationskomik das Ernsthafte der Grundproblematik nicht weggelacht und das Happy End dennoch nicht von einem moralinsauren Mühlstein plattgewalzt wird.

Sabine Ludwig: Die schrecklichsten Mütter der Welt. Roman. Dressler Verlag, 2009. 285 Seiten. 13,90 EUR. Ab zehn Jahren.

Ulrich Karger

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