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US-Lyrikerin Alexander: Tiefseefischerin

Verse für Obama: die Poetin Elizabeth Alexander verabschiedet race pride und black power.

Wie oft, bemerkte sie einmal, hätte ihre Familie den Begriff race gebraucht, wo schlicht und einfach black gemeint war. Der ungenaue Umgang mit Wörtern verhindert, weiß Elizabeth Alexander aus eigener Erfahrung, den genauen Umgang mit der Sache. Von ihrem Debüt „The Venus Hottentot“ (1990) an untersucht die 1962 in Harlem geborene und in Washington, D.C., aufgewachsene Dichterin und Essayistin die Konstruktion schwarzer Identität. Dabei hat sie eine Lässigkeit entwickelt, die sich wohl erst ihre Generation leisten konnte und die man auch bei Obama findet.

Alexander, heute Professorin für African American Studies in Yale, ist, wie sie in ihrem Essayband „The Black Interior“ schreibt, hinaus über die race pride, für die noch Langston Hughes warb. Sie hat sich aber auch verabschiedet von der militanten black power, ohne die Ungerechtigkeiten zu leugnen, unter denen die Schwarzen in den USA leiden.

Es reicht inzwischen sogar für Ironie. In ihrem Gedicht „Race“ erzählt sie die Geschichte ihres schwarzen, aber ungewöhnlich hellhäutigen Großonkels Paul aus Alabama, der je nachdem, ob er mit seiner weißen Frau als Förster in Oregon auftritt oder sich ohne sie in die Kreise seiner schwarzen Verwandtschaft in New York begibt, als Weißer oder Schwarzer angesehen wird. „Was für eine seltsame Angelegenheit“, heißt es darin, „ist das ,Rassische’, aber wie viel seltsamer noch ist die Familie.“

Niemand weiß, wovon das Gedicht handeln wird, das Elizabeth Alexander im Rahmen der Inaugurationsfeierlichkeiten ihres Freundes Barack Obama am heutigen Dienstag vorträgt, doch eines steht fest: Es wird das größte Publikum sein, das ein Gedicht jemals vor laufenden Kameras gefunden hat.

Keine Angst vor Lyrik, lehrt Alexander, die lange davon träumte, eine Tänzerin zu werden. Die fünf Gedichtbände, die sie mittlerweile veröffentlicht hat, genießen auch wegen des Körperbewusstseins, das sie darin predigt, weithin Popularität – nicht zuletzt, weil Alexander mehr als viele Zeitgenossen mit ihren Versen kleine Geschichten erzählt. Mit Texten wie „Narrative: Ali“, einem Boxgedicht in zwölf Runden, scheut sie auch die Rollenlyrik nicht.

Ihr Programm ist einfach: „Wir fügen unserem Verstand schon in frühen Jahren Millionen von Wörtern hinzu“, glaubt sie, „ und Schreiben ist eine Tiefsee-Expedition, um sie wiederzufinden.“ Mal sehen, welche Wörter sie in ihrem Gedicht zu diesem historischen Tag hervorholt. dotz

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