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Schloss Elmau

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Schloss Elmau: Zurück im Zauberberg

Zweige des Alten, Blüten des Neuen: ein Psalm in neun Strophen auf das wiedererrichtete Schloss Elmau.

O Elmau, du Rose, du Schöne! Am Fuße des Wetterstein, nah liegt der Ferchensee, blaugrüner Edelstein inmitten der oberbayrischen Alpen, und gleich hier, zu den Füßen, die Schotterpfade ums Schloss, der frisch ausgerollte Rasen, die große Terrasse. Von der gerade eben, weil das Wetter umschlägt, alles aufsteht und flüchtet. In den neuen Wintergarten hinein. Den renovierten Teesaal mit Kamin, die Bibliothek gleich daneben. Grau prasselt der Regen, das Personal sammelt noch cool ein paar Kissen ein, klappt die rostroten Sonnenschirme zusammen und gibt doch nach wenigen Minuten auf. Längst sind die Tischdecken durchnässt. Es pladdert in den silbernen Kandisschalen. Die Rosen schwimmen in ihren Vasen. Innen wischt man sich die Stirne. Gleich hört es wieder auf.

Schloss Elmau nahe Garmisch-Partenkirchen, 1050 Meter über dem Meeresspiegel, 1916 von dem evangelischen Schriftsteller Johannes Müller erbaut. Das Geld für sein Erholungsheim bekam Müller damals von Else Gräfin Waldersee, Architekt war sein Schwager Carlo Sattler. Nach Jahrzehnten der Sinnfindung an abgeschiedenem Ort, nachdem Generationen von Gästen getanzt, gesungen und über Kunst und Leben, Politik und Religion nachgedacht hatten, übernahm Müllers Enkel Dietmar 1997 das Haus. Ließ einen Westflügel anbauen, blies kühlen Wind in die kulturprotestantische Aura des Hauses. Im Sommer 2005 brach ein Feuer aus und tat ein Übriges. Millionen Liter Löschwasser flossen, so viel, dass das wohl behaglichste, bildungsbürgerlichste unter den deutschen Hotelschlössern nicht nur niederbrannte, sondern geradezu ertrank. In Hausschlappen und Bademänteln standen die Gäste nachts auf der Wiese und sahen zu, wie das alte Elmau unterging. Zwei Drittel mussten abgerissen und wiederaufgebaut werden, der Rest wurde komplett renoviert, ein großes Badehaus neu errichtet. Architekt war nun Christoph Sattler, ein Enkel des ersten Erbauers. Anfang Juli wurde Schloss Elmau wiedereröffnet – indische Stoffe, italienische Lampen, Holz und Gold, Natursteine und unlackierte Oberflächen, „geschmackvoller Nichtgeschmack“ (Dietmar Müller-Elmau), eine natürlich-auserlesene Atmosphäre.

„Im Grunde,“ sagt Müller-Elmau, „geht es darum, die Künstler zu verführen. Elmau ist viel mehr ein kulturelles Unternehmen als ein Hotel.“ Eben war Claus Peymann zur Erholung da. Dagmar von Gersdorff las aus ihrer Biografie Karoline von Günderrodes. Der Pianist Bernd Lhotzky spielt den ganzen August lang Jazz und Swing, im Winter kommt Mischa Maisky, im Sommer dann Midori. Längst wissen die Gäste, was sie hoch oben in den Bergen erwartet. Gleich morgens ein Gang an eins der Klaviere? Ein Blick in die Bibliothek? Oder doch die Bergwanderung? An den Pool? Zur Massage? Auf jeden Fall abends Konzert. In den Pausen zwischen den Stücken fliegen die Türen zum Saal auf, ein Teil des Publikums geht, ein anderer kommt, Eltern führen ihre Kinder hinaus, Gäste kommen erst jetzt vom Diner. Und wie in alten Zeiten gibt es andauernd Konversation, vorm Kaminfeuer, beim herrlichen Essen, im großzügigen Freibad eine Wiesenetage unter der Terrasse.

Dass Elmau seit jeher ein Ort des Austauschs ist, ist vor allem an der Sitte zu spüren, die Gäste beim Abendessen zu platzieren. An den Frauen, die sich mit ihren Gästelisten zerberusartig an den Eingängen zum Speisesaal aufbauen, kommt keiner vorbei. So sitzt man neben der Familie aus Düsseldorf. Am nächsten Tag bei einer Psychoanalytikerin und einer Pressesprecherin. Später in Gesellschaft eines emeritierten Professors. Man spricht über hochbegabte Kinder, über Prousts Recherche, das Leben in Boston, den Katholizismus oder Prinzessin Diana. Rasch muss dann auch geklärt werden, wer das Haus schon vor dem Brand kannte oder sich sogar in jener Augustnacht auf dem Schloss aufhielt. Wer zum ersten Mal da ist und auch auf die heikle Phase des soft opening einen kühlen Blick hat. Noch hat sich nicht alles eingespielt im neuen Fünf-Sterne-Hotel. Nach zwei Umbaujahren beschäftigt Dietmar Müller-Elmau wieder 200 Mitarbeiter; fast 90 Prozent von ihnen sind so neu, dass sie das Haus kaum besser kennen als ihre Gäste. Und immerhin wollen in diesen Wochen 200 Erwachsene und 160 Kinder verwöhnt und unterhalten sein.

O Elmau, du rosige Schöne, du Ort der Mehrgenerationensippen! Morgens am Frühstückstisch werden die Großmütter mit „Großmama“ begrüßt. Beim Billard besprechen Pubertierende den Auslandsaustausch im nächsten Schuljahr. Im Kaminzimmer spielen heißblütige junge Männer Jurastudium und Betriebswirtschaftslehre gegeneinander aus, und am Freiluftpool toben Kinder, die Laura heißen, Edgar oder Frederick und die einander höflich loben: „Super gemacht, Lilly!“ Allein zu den Elmauer Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche gehören mehr als 100 Mitarbeiter.„Wenn Sie in Deutschland irgendwohin gehen,“ sagt Müller-Elmau, „finden Sie eindimensionale Programme. Elmau ist in Innenarchitektur, in Ausstattung, beim Gästekreis und dem Programm total mehrdimensional. Ich liebe die Möglichkeit, alles machen zu können. Das ist nicht eine Perfektionierung von Hotel, sondern von Freiheit.“

Früher, erzählt ein Investmentbanker aus Frankfurt, habe man den Aufenthalt nach Tanzabenden gezählt. Zwei, vier, sechs: Jahrzehntelang war das Tanzen Mittelpunkt der Elmauer Welt. Wer achtgibt, sieht noch immer Alt-Elmauer sich hie und da zusammenrotten, einen CD-Spieler im Konzertsaal aufstellen und einander die Hände zur Quadrille reichen. „Ach“, schwärmen die Männer, „das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wie das war, der ganze Saal in Bewegung, die Röcke der Frauen, die flogen und wehten.“ „Diese Tanzabende“, sagt Müller-Elmau, „wo auf der einen Seite die Frauen sitzen, die Männer auf der anderen, wird es nicht mehr geben. Das war eine Zumutung für die Frauen, grauenhaft.“ Das eigentliche Problem sei allerdings, heute einen Musiker zu finden wie den damaligen Hauspianisten Otto Ludwig, einen, der klassisch ausgebildet und trotzdem glücklich damit ist, beim Tanzen zu begleiten. Und eine geeignete Kapelle für die neuen Swingabende. Für die Alt-Elmauer aber wird es Nostalgiewochen geben, bei denen sie Quadrille tanzen können, bis ihnen die Beine brennen.

O Elmau, der Gäste Alter du an den Präpositionen erkennst! „Ich war noch nie auf Schloss Elmau“, sagen die neuen. Die alten: „Ich komme seit fünfzig Jahren zur Elmau.“ Wie die freundliche 88-jährige Dame aus Hamburg, die in diesem Sommer einmal mehr mit ihrer Großfamilie angereist ist. Ist sie zufrieden mit der Renovierung, damit, wie das Haus jetzt aussieht? „Nicht mit allem“, sagt sie. Und lacht. Auch das liberale Denken gehört zum Geist von Elmau. Einst kamen die jungen Mädchen freiwillig zum Helfen nach oben, wurde schon morgens getanzt und gesungen, hieß die tägliche Hausmitteilung für die Gäste der „Gockel“. Heute ist das Blatt „The Schloss Elmau Experience“ überschrieben. Darüber wird viel gespöttelt. Dass die Gäste das Schloss als ihr Eigentum betrachten und zu allem ihre Meinung haben: „Das war schon immer so“, sagt der Chef.

Der schöne, wohlproportionierte Luxus. Sieben Restaurants, mehrere Schwimmbäder. Die Mischung aus Sonne, Wipfeln und Wiesen und Hightech. Das Kulturprogramm, die lange Tradition: Am wenigsten kommt dagegen die schäbige kleine Schwester von Elmau an, Klappholttal auf Sylt, wo ein anderer Reformer des Jahrhundertanfangs, Knud Ahlborn, ebenfalls daran ging, neue Lebenswege aufzuzeigen, und wo sich noch heute unter schlichtesten Bedingungen urlauben lässt. Spottbillig war es früher auf Schloss Elmau auch. Und ein paar Schuhschachtelzimmer wird es auch in Zukunft noch geben, Garantie dafür, dass aus Elmau keine Reichenfavela wird. Aber die Eröffnungsmonate mit ihren nachsichtigen Preisen werden vorübergehen. Von Aufschlägen um 30 Prozent ist die Rede.

O Elmau, du schön okulierte Rose! Mögen die Zweige des Alten mit den Blüten des Neuen feste zusammenwachsen! Oder auch nicht. Schließlich schätzt der Chef alles, was Spannung schafft. Leise gluckert das Wasser im superluxuriösen Spa. Im Solebecken ruht ein junger Mann und sagt, Elmau sei schon immer ein Ort der freien Liebe gewesen. Ein Ehepaar, das sich vor Jahrzehnten auf dem Schloss kennengelernt hat, erzählt beim Essen, wie es sich einst im Walde verlief; wie Hänsel und Gretel hätten sie sich aneinander festgehalten. „Und wann kommen die Russen?“, hat ein gereizter Gast Müller-Elmau eben gefragt. „Schade, dass sie noch nicht da sind“, hat der geantwortet. Zum Abschied gibt es eine Dose mit Pfefferminzbonbons. Der Franz fährt die Gäste zum Bahnhof nach Klais. Adieu!

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