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Kultur: "Loop - Alles auf Anfang": Hase und Igel

Every day is sunshine", säuselt die Stimme. "Jeden Tag scheint die Sonne", klagt sie mit schleppendem Klang, und eine Plexiglasscheibe tönt die grauen Mauern im Innenhof der Kunsthalle goldgelb.

Every day is sunshine", säuselt die Stimme. "Jeden Tag scheint die Sonne", klagt sie mit schleppendem Klang, und eine Plexiglasscheibe tönt die grauen Mauern im Innenhof der Kunsthalle goldgelb. Migränefarbe, Übelkeitslaute, betäubender, einlullender Endlossound, der die Sinne wattiert. Den Autismus von Überfluss und Überdruss installiert der Schweizer Künstler Ugo Rondinone als ausweglosen "Loop" aus Ton und Bild. Teufelskreis oder Ritual? Selbst- oder Fremdbestimmung? Prinzip Wiederholung oder: Ist Sisyphos glücklich?

"Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache", schreibt Albert Camus 1942 über die Freiheit des modernen Nihilisten, sich für den Kreislauf aus Leben und Tod, Bewegung und Stillstand willentlich zu entscheiden, statt ihn fatalistisch über sich ergehen zu lassen. Diese Freiheit zur Wahl der Perspektive unterscheidet das Denken der säkularisierten westlichen Welt grundsätzlich von dem eines Gläubigen, der sich einem absoluten Gott unterwirft. "Gott befiehlt den Heiligen Krieg, den Dschihad", sagt Osama Bin Laden, das Idol der Islamisten. Er und seine Anhänger hassen die USA als Supermodell des Kapitalismus und des Egoismus - Mohammed hingegen fordert den "Kampf gegen das eigene Ich".

Seit dem 11. September zerfallen die Bilder: Die Fotos mit den explodierenden Zwillingstürmen des New Yorker World Trade Centers rotieren als Dauerschleife in den Köpfen und traumatisieren unsere Einbildungskraft. Gleichzeitig werfen sie die Welt auf eine Zeitstruktur zurück, die sich seit dem Fall der Berliner Mauer allmählich aufzulösen schien: die lineare, kausal determinierte des Fortschritts. Eine anschauliche Analyse dieses alten Zeitkonzepts bietet nun die Ausstellung "Loop - Alles auf Anfang" in der Münchner Hypo-Kunsthalle. Klaus Biesenbach, Leiter der Kunst-Werke Berlin und Chefkurator des P.S. 1 in New York, inszeniert sie als eine raumübergreifende, skulpturale Endlosschleife aus Video- und Soundinstallationen von internationalen Künstlern. Viele arbeiten nach dem Prinzip schrankenloser Manipulation. Sie zerlegen, cutten, samplen oder fragmentieren Bilder und montieren sie als Kopien, Zitate und Variationen wieder zusammen.

"Man drückt auf die Autorepeattaste des CD-Spielers und fährt alles auf Anfang", beschreibt Biesenbach das Faszinosum der Unendlichkeitsschlinge, in der Zeit "aufgehoben" scheint. Oder ausrastet wie Michael Jordan auf einer Videoprojektion von Paul Pfeiffer, nachdem er einen Treffer erzielt hat. Der philippinische Künstler multipliziert den Siegesschrei des Basketballstars auf einem Mini-Monitor zur Sequenz eines gespenstisch gefrorenen Augenblicks.

Dass das uferlose Klonen von Bildern Ungeheuer gebiert, zeigen der Holländer Aernout Mik mit "Glutinosity" und der Belgier Francis Alys mit "Reenactments". Auf Miks Loop einer simulierten Demonstration werden Personen hin- und hergeschleift, gezerrt, geschubst - lautlos, sinnlos, bewusstlos und deshalb so beängstigend. Die Gewalt kommt aus dem Nichts, ungreifbar und allgegenwärtig. Alys filmte sich selbst, wie er eine Pistole kauft und mit ihr solange durch die Straßen von Mexiko City geht, bis ihn die Polizei verhaftet. Einen Tag später spielte er die Szene noch einmal detailgenau nach, er und die Polizisten wurden zu Action-Heros. Beide Videos laufen in der Ausstellung nebeneinander und provozieren die Frage, was es bedeutet, wenn Fiktion und Realität austauschbar werden und welche Rolle Authentizität spielt.

Noch einen Schritt weiter geht Santiago Sierra mit Videoinstallationen und Performances, die die stillschweigende Übereinkunft von Wohlstands-Zyklen der Ersten und Armutskreisläufen der Dritten Welt dokumentieren. Wenn der spanische Künstler Arbeitslosen in Havanna 30 Dollar bietet, damit sie sich in eine Reihe stellen und sich jeweils eine schwarze Linie auf den Rücken tätowieren lassen, wenn er die Besucher einer Galerie in Guatemala in einen Bus einlädt und sie in den härtesten Slum der Stadt fährt, oder wenn er sechs Asylbewerber in den Berliner Kunst-Werken vier Stunden täglich in enge Pappkartons sperrt, dann ist das brisanter "politischer Minimalismus", wie Thomas Wagner schreibt.

Erst das Slow-Motion-Karussel von Carsten Höller lässt Erinnerung, vielleicht sogar Meditation zu. Aber es beschreibt eigentlich kein Loop-Vakuum, sondern einen geschlossenen Kreis mit einem Zentrum. Bleibt die Frage, ob die mediale Wirklichkeit die Realität bereits ersetzt hat. Befinden wir uns in einem Zustand kollektiver Trance durch die Images, die unsere Welt verdoppeln? Spalten sie unser Bewusstsein, machen uns unfähig, unsere Körper in ihrer zerbrechlichen Lebenszeit zu spüren? Spiegeln die Arbeiten dieser Schau das Ende der Utopien? Nein, solange es die Utopie der Liebe allem Horror und allen Tragödien zum Trotz noch gibt. Sisyphos hat die Freiheit der Wahl.

Eva Karcher

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