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Kultur: Mac Ödipus

Schottische Jugend: „Hallam Foe“ von David Mackenzie im WETTBEWERB

Hallam? Wird bald 18. Ein bleicher, hagerer Junge. Er lebt hoch droben, in den schottischen Highlands, in einem Anwesen mit riesigen Ländereien. Vater: mehr als reich. Stiefmutter: mehr als schön. Er zieht sich gerne ein Dachsfell über und streicht sich Kriegsbemalung ins Gesicht. Dann nimmt er sein Fernglas und beobachtet fremde Paare beim Sex. „Eine schlechte Angewohnheit“ – das sieht er immerhin ein. Manchmal trägt er auch die Kleider seiner Mutter. Die ist vor zwei Jahren gestorben. Hallam ist darüber definitiv noch nicht hinweg.

An Jamie Bell liegt es nicht, dass einem dieser Hallam Foe schon bald recht seltsam vorkommt. Der englische Schauspieler – bekannt aus „Billy Elliot“ und „Dear Wendy“ – tut sein Bestes, damit einem der Sonderling ans Herz wächst. Aber das Drehbuch meint es nicht gut mit ihm: Hallam bildet sich ein, dass die Stief- seine leibliche Mutter vergiftet hat, was natürlich ziemlich unfair wäre. Es kommt zu einer Auseinandersetzung. In deren Anschluss wird der Zuschauer Zeuge des vielleicht ersten schottischen Baumhaus-Quickies der Filmgeschichte. Und das zwischen einem Minderjährigen und seiner Stiefmutter! Wenig später landet Hallam in Edinburgh. Dort läuft ihm prompt eine Kim-Novak-artige Blondine (Sophia Myles) über den Weg, die seiner toten Mutter verdammt ähnlich sieht. Und was macht Hallam? Er krabbelt auf Dächern herum, um sie auszuspähen. Verliebt sich in sie. Und hat dann Sex mit der eingebildeten Mutter.

Nicht direkt eine Geschichte, die aus dem echten und wahrhaftigen Leben gegriffen wäre. Was nicht unbedingt ein Problem sein muss. Das Kino kann einem ja beinahe alles erzählen. Aber es sollte dabei schon ein wenig geschickter vorgehen als „Hallam Foe“. Natürlich ist von Anfang an klar, um was es hier geht. Schon die – sehr witzige – Cartoon-Titelsequenz macht deutlich: Hier muss einer sein Nest verlassen und flügge werden. Aber bis zu Hallams gereiftem Abgang in der Schlusseinstellung ist der Weg gepflastert mit großen, übergroßen Themen: eine Coming-of-Age-Geschichte mit Voyeurismus, Liebe zu den Toten und Ödipus-Anklängen? A bit heavy, my dear. Hitchcock hat das alles auf ein paar Filme verteilt, von „Das Fenster zum Hof“ bis „Vertigo“. Der 40 Jahre alte Schotte David Mackenzie gibt sich 96 Minuten Zeit.

Mackenzie hat zuvor zwei atmosphärisch dichte Filme gemacht, die beide auf Romanen basierten: „Young Adam“ und „Stellas Versuchung“ (der am 29. März in die Kinos kommt). Auch dieses Mal greift er nach einem Roman (von Peter Jinks). Und auch in diesem Film findet er stimmungsvolle Plätze, die er in dunklen, farbarmen Cinemascope-Bildern einfängt: die klamme Landschaft um die schottischen Lochs, die regennassen Gassen und steilen Dächer von Edinburgh, dampfende Hotelküchen. Dazu wird durchgehend lässiger Independent-Rock eingespielt. Was dem Film aber letztlich auch nicht weiterhilft.

Heute 15 und 21 Uhr (Urania), 18. 2., 22.30 Uhr (International)

Julian Hanich

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