zum Hauptinhalt

Kultur: Macht nix? Doch!

Für Österreich. Da war das einfach.

Für Österreich. Da war das einfach. Da war "The Sound of Music" schuld. In dieser filmischen Festschreibung des österreichischen Opfermythos waren wir alle amerikanisiert worden. Das war eine gute Vorbereitung auf unsere Bestimmung. Heute sind wir eine Ausbeutungsgemeinschaft der Touristen, die wegen "The Sound of Music" kommen. Wir können den Tatort der Wegelagerei weiterhin Heimat nennen. Auf Plakaten der Österreich-Werbung ragen die Berge in den Himmel und zwei Busen aus dem Bergsee. Vor den Bergen. "Alltag raus. Österreich rein." Wohinein, fragt sich. Und der Busen muss nicht einmal mehr im Dirndl hüpfen.

Aber. "The Sound of Music" galt nur, solange es die "Kummerln" (Kommunisten) gab. Hinter dem Eisernen Vorhang weggezäunt. Und seit es die nicht mehr gibt, heißen die Männer bei uns nicht mehr Baron von Trapp, sondern Waldheim oder Haider. Aber gerade weil die Amis uns die Geschichtslasten so leicht gemacht haben, waren wir besonders beleidigt, dass sie uns das Dirndl nicht mehr so fröhlich anrechneten und über die Zwangsarbeiteer zu reden begannen. Und über die Schiele-Bilder. Und über die Arisierungen. Gerade noch waren wir heiter über die Almen getanzt. Unbewusst und darin selbstbewusst.

"Edelweiß". Das Lied aus "The Sound of Music", von dem die Touristen glauben, es wäre unsere Nationalhymne. Das mussten wir erst in den 90ern singen lernen. Bis dahin waren wir die Verkörperung dieses Lieds. Und. Wenn die Musik aus ist, dann fangen die Raufereien an. Das ist im Heimatfilm so. Und in der Wirklichkeit erst recht. Dann muss wieder Ordnung gemacht werden. Dafür braucht es starke und entschlossene Männer. Damit die anderen sich nicht mehr so fürchten müssen, dass das eintritt, was sie sich heimlich so sehnlich wünschen. Die Selbstaufgabe an das Chaos.

In Frankreich ist ein ganz anderes Selbstbild in sich zusammengebrochen. Das Erbe der philosophes und der Revolution. Aber. Hatte dieser Mythos eine Entsprechung in der Realität. Hatte das politische Establishment da je etwas anderes gewollt als die Macht. War dagegen Einspruch erhoben worden. Vichy. Algerien.

In keiner Gesellschaft wurde etwas gegen die Erbschaften der Geschichte unternommen. Ja, der autoritäre Charakter wird ganz bewusst in Kauf genommen. Weil immer Männer fürs Grobe gebraucht werden. Und Krieg immer eine Möglichkeit geblieben war. Schon wegen der Wirtschaft. Und immer ist es die gute alte Männerkonstruktion Führer und Gefolgsleute mit einem klaren, rassisch abgegrenzten Feind, die wir treffen. Die dann als Retter aus den von ihnen erst geschürten Ängsten auftreten können. Die die Dinge, die sie in die Welt setzen, beim Namen nennen. Und das alles trifft auf einen Bodensatz von nie unterbrochener Erwartung. Bei uns ist das faschistoid erinnert. In Frankreich chauvinistisch motiviert. Aber immer geht es um Leute, die den Einsatz von Gewalt in der Politik sehen möchten. Ich kann dem Argument der irregeleiteten Wähler nichts mehr abgewinnen. Zu oft habe ich bei den Donnerstagsspaziergängen in Wien den blanken Hass bei äußerlich durchaus honetten Personen angetroffen. Zu oft wurde einem der Abtransport angetragen. Die Vernichtung gewünscht.

Offenkundig gibt es in unseren Gesellschaften diesen Anteil an Gewalt. Bei uns wird sie seit zwei Jahren in der Politik strukturell in die Gesellschaft zurückgebaut. Alle Möglichkeiten, die eine Gesellschaft anbieten kann, das eigene Schicksal neu zu entwerfen, werden systematisch abgebaut. Die Auflösung des Jugendgerichtshofs und die Eingliederung der jugendlichen Strafgefangenen in den "normalen" Justizvollzug ist nur das letzte Beispiel. Die Person wird von außen entworfen. Man hat so zu sein, wie dieser Entwurf das vorsieht. Abweichungen werden bestraft. Ordnung machen, war das Motto der FPÖ, und die bürgerliche ÖVP macht da gerne mit. Christliche Ordnung und autoritäre Ordnung. Das ist verwandt. Schnell ist dagegen nichts zu machen. Das ist eine lebenslängliche Auseinandersetzung. Von diesen Problemen gibt es nie Urlaub. Unpolitisches Leben in biedermeierlicher Zurückgezogenheit ist da nicht möglich. Ich gehe deswegen auch noch zwei Jahre nach dem Schock demonstrieren.

Nun gibt es in Frankreich ja die Wahl zwischen rechts und rechter. Rechts wird gewinnen. Dann sollte die Politik gegen rechts aber erst recht beginnen. Täglich und im Leben. Das ist zäh. Das ist unergiebig. Das ist manchmal sehr langweilige Subversion. Das hat scheußlich repetitiven Charakter. Aber aufgeklärte Besserwisserei und politische Doppelmoral haben einfach wenig Überzeugungskraft. Selbst mit linkem Vokabular.

Die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz lebt in W

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false