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Kultur: Magdas Magd

Istvan Szabós Budapest-Drama „Hinter der Tür“.

Menschen, die aneinander schuldig werden, davon erzählen die meisten Filme von István Szabó. Täter und Opfer, Mitläufer und Täteropfer, die Verstrickung der Kunst in die Politik – in Werken wie „Mephisto“, „Hanussen“ oder „Taking Sides – Der Fall Furtwängler“ hat der mittlerweile 74-jährige Ungar die politisch-moralischen Fragen des 20. Jahrhunderts immer wieder thematisiert und nicht selten aufwendig in Szene gesetzt. Sein jüngster Film „Hinter der Tür“ ist dagegen ein eher bescheidenes Kammerspiel. Und es geht einmal nicht um mächtige Männer, sondern um den Machtkampf zwischen zwei Frauen.

Budapest in den sechziger Jahren. Die Schriftstellerin Magda, eine Intellektuelle aus bürgerlichem Hause, zieht mit ihrem Mann in eine herrschaftliche Villa. Sie braucht eine Dienstmagd – und fragt Emerenc, die im Musikerhaushalt gegenüber nach dem Rechten sieht. Herrin und Magd, diese Paarkonstellation taucht in der Weltliteratur seltener auf als Herr und Knecht. Beispiele dafür lassen sich sofort finden, etwa bei Tolstoi, bei Don Giovanni und seinem Diener Leporello, bei Brechts Puntila und seinem Knecht Matti – oder den zahllosen TV-Krimis à la „Harry, hol schon mal den Wagen“. Dabei fällt der Machtkampf zwischen Frauen bekanntlich nicht harmloser aus – immerhin gibt es Jean Genets „Zofen“.

Magda und Emerenc, dieses ungleiche, aber ebenbürtige Paar aus dem autobiografischen Romanklassiker „Die Tür“ von Magda Szabó (die Autorin ist mit dem Regisseur nicht verwandt) wird von zwei großen Schauspielerinnen verkörpert: der Britin Helen Mirren, die für „The Queen“ einen Oscar erhielt, und der Deutschen Martina Gedeck, die im ebenfalls oscarprämierten Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“ auch international von sich reden machte. Emerenc ist eigensinnig, kratzbürstig, bärbeißig. Sie lässt niemanden in ihre Hütte, fegt stur jeden Tag den Bürgersteig, nennt Magdas Mann „den Gebieter“, staffiert die Villa mit Nippes-Tieren aus, gibt nichts von sich preis. Vor allem nicht ihre Kindheitserinnerungen an die Zeit der deutschen Besatzung, eine Chronik traumatischer Verluste, wie der Zuschauer in Rückblenden erfährt. Helen Mirren spielt das mit dem Mut zur Sprödigkeit, zur ungeschminkten Darstellung einer Misanthropin, einer vom Verlustschmerz gezeichneten Existenz, die dem Zuschauer trotzdem nicht gerade sympathisch ist.

Magda alias Martina Gedeck trotzt Emerencs Halsstarrigkeit. Sie hat ihren eigenen Kopf, reüssiert als Staatsdichterin und arrangiert sich mit dem repressiven Regime, in einer merkwürdigen Mischung aus Naivität, Sensibilität und Tapferkeit. Leider hat István Szabó die Romanvorlage in äußerst gediegenes, um nicht zu sagen verzopftes Ausstattungskino übersetzt. Aber das Duell der Frauen macht die altbackene, noch dazu mit putzigen Haustieren (so viele Katzen!) angereicherte Inszenierung doch halbwegs erträglich. Auch wenn dabei im Unklaren bleibt, wie politisch es der politische Filmemacher Szabó angesichts des aktuellen Rechtsrucks in Ungarn mit seiner historischen Parabel womöglich meint.

So verströmt „Hinter der Tür“ vor allem das nostalgische Flair eines bürgerlich- humanistischen Mitteleuropa, wie man es aus den Romanen etwa von Sándor Márai kennt. Zwei starke, selbstbewusste Frauen, zwei Typen, zwei Gedankenfiguren: die herausgeforderte, überforderte Intellektuelle und die auf mysteriös-mystische Weise Naturverbundene – allmählich bringen sie Respekt füreinander auf, am Ende sogar Verständnis. Dennoch mündet ihre Beziehung in eine Tragödie des guten Willens. Es ist Magda, die schuldig wird an ihrer Magd. Ein Happy End wäre auch Verrat an der Unbeugsamkeit der beiden gewesen.

Cinema Paris, Cinemaxx, International, Kulturbrauerei, Krokodil, Xenon

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