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Mahler Chamber Orchestra auf Geldsuche: Präludium in Prekär-Dur

Das Mahler Chamber Orchestra hat sich seinen Platz im internationalen Klassikmarkt gesichert. Doch nicht immer rechnet sich die Kunst für ein frei finanziertes Einsemble.

Die Idee klingt interessant. „Warum“, sinniert Andreas Richter, der Intendant des Mahler Chamber Orchestra (MCO), „sollte die EU nicht mit uns eine Konzertreihe in Athen veranstalten? Schließlich sind wir die gelebte europäische Idee. Unsere Künstler wohnen in 20 verschiedenen Nationen und kommen jeweils für die Konzertprojekte zusammen.“ Womöglich ließen sich die europamüden Griechen ja tatsächlich für den Staatenbund neu begeistern, wenn die Troika bei ihren Kontrollbesuchen das polyglotte Orchester mitbrächte.

Andreas Richter muss fantasievoll sein – denn seine Hauptaufgabe besteht darin, Gelder für das frei finanzierte Ensemble aufzutreiben. Schon kurz nach seiner Gründung 1997 eroberte sich das Mahler Chamber Orchestra einen Platz im internationalen Klassikmarkt. Kein Geringerer als Claudio Abbado hatte die ehemaligen Mitglieder seines Gustav-Mahler-Jugendorchesters zum Sprung in die Selbständigkeit ermutigt. Dass er regelmäßig am Pult des MCO stand, dass er die Truppe später zur Kernmannschaft seines Lucerne Festival Orchestra machte, hat sicher viel geholfen. Vor allem aber war es der rückhaltlose Einsatz der Musiker für ihre Sache, eine Begeisterung, die sich nicht um gewerkschaftlich festgelegte Ruhezeiten scherte, mit der das MCO zu einer der spannendsten Klassikformationen weltweit wurde.

Am 31. August darf die Truppe nun sogar das prestigeträchtige „Musikfest Berlin 2012“ in der Philharmonie eröffnen, mit einem Charles- Ives-Abend unter der Leitung von Kent Nagano. Und auch Konzerthaus-Chef Sebastian Nordmann hat das MCO eingeladen, am Gendarmenmarkt aufzutreten. Ohne solche Quersubventionierungen durch staatliche Institutionen könnte sich das Orchester Auftritte in der deutschen Hauptstadt gar nicht leisten. Weil hier das Preisniveau zu niedrig ist. Nur dort, wo die Tickets teuer sind, kann sich für ein frei finanziertes Sinfonieorchester die Kunst rechnen.

Darum organisieren Andreas Richter und sein 13-köpfiges Team im Orchesterbüro am Berliner Südstern gewissermaßen eine never ending tour. Allein in dieser Spielzeit stehen 80 Konzerte in 13 Ländern an, von Norwegen über Japan bis nach Australien. Regelmäßige „Residenzen“, also längere Proben- und Konzertphasen, hat das Mahler Chamber Orchestra im italienischen Ferrara, in Luzern sowie in Nordrhein-Westfalen. Dass letztere im Sommer 2013 nach vier Jahren ausläuft – weil die Kulturstiftung NRW nur temporäre Projekte unterstützen darf – bereitet Andreas Richter Kopfzerbrechen. Denn natürlich plant es sich mit Residenzen leichter als mit Einzelengagements. Aber wer weiß: Vielleicht beißt die EU ja doch noch bei seiner Idee mit der Konzertreihe in Athen an.

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