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Kultur: Mahler malt’s

KLASSIK (2)

Das Instrumentarium der sechsten Symphonie Gustav Mahlers hat die Zeitgenossen zur Satire provoziert. Humoristisch wird (1907) dargestellt, wie der Komponist sich über dem Inventar seiner Klangwerkzeuge die Haare rauft: Weil er über Glocken, Rute und Hammer vermeint, die Hupe vergessen zu haben. Zu solcher Karikatur kann nur das Außerordentliche dienen. In der Tat ist die Wildheit des a-Moll-Werkes einzigartig.

Mit seiner Interpretation erweist sich Eliahu Inbal am Pult des enthusiastisch folgenden Berliner Sinfonie-Orchesters erneut als ein Mahler-Dirigent von großartigem Weitblick. Es erklingt im Konzerthaus die prophetische Symphonie des 20. Jahrhunderts, in dessen ersten Jahren sie entstand. Das philosophische Geheimnis der Komposition reicht von der privaten Vorahnung des Kindersterbens (mit der Nähe zu dem Rückert-Lied „Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen“) zur kommenden kriegerischen Weltkatastrophe. „Meine VI. wird Rätsel aufgeben“, schreibt der altösterreichische Jude Mahler 1904.

Inbal dirigiert das Werk mit scharf geschnittener Kontur so, dass die Zusammenhänge evident werden. Sein Klanggefühl begegnet dem aufgeblähten Orchesterapparat mit einer Differenzierung, die das Verdikt der „Überinstrumentierung“ nicht kennt. Alles ist Spaltklang. Andererseits werden die Tonbilder von Natureinsamkeit integriert: Alles ist Marsch, dient der Einheitlichkeit, auch wenn auf den verlorenen Inseln das Horn wunderbar singt oder die Herdenglocken läuten. Abstürze, Zerrissenheit, nachdenkliche Satzschlüsse – Kapellmeistermusik („Achtel ausschlagen“). Der Axthieb vertreibt, was „altväterisch“ erinnert wird. Ein Konzert der Sonderklasse.

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