zum Hauptinhalt
Malt täglich außer samstags und sonntags. Harald Metzkes.

© Bernd Kuhnert

Maler Harald Metzkes zum Neunzigsten: Irgendwo zwischen Himmel und Erde

Er verhandelt in seinen Gemälden Liebe und Freundschaft: Der Maler Harald Metzkes wird 90, die Galerie Sandau & Leo widmet ihm eine Geburtstagsausstellung.

Nein, setzen will er sich nicht. Bei der Eröffnung seiner Geburtstagsausstellung in der Galerie Sandau & Leo (Tucholskystr. 38, bis 23. 3.) lehnt Harald Metzkes den Stuhl ab, hilft noch einer Besucherin aus dem Mantel und lauscht stehend der Begrüßung. Vergleicht man sein Gesicht mit früheren Selbstporträts, so hat das Alter den Künstler kaum verändert. Die leichten Bewegungen finden sich auch in jüngsten Bildern. Metzkes, der heute 90 Jahre alt wird, ist sich treu geblieben.

Außerdem hat er treue Freunde, eine große Familie. Bei der Vernissage musste die Galerie zeitweise wegen Überfüllung schließen. Sandau & Leo zeigen November eine zweite Ausstellung. Das Gesamtwerk besteht aus mehreren Tausend Arbeiten – Gemälden, Aquarellen, Grafiken, Texten. Der Künstler malt bis heute täglich außer samstags und sonntags.

In einem ersten Selbstporträt, einem Aquarell von 1948, trägt der 19-Jährige kurze Hosen, wirkt robust. Die Konturen sind mit dunklen Linien abgegrenzt. Metzkes machte damals eine Steinmetzausbildung in Bautzen. Der Zweite Weltkrieg lag gerade drei Jahre zurück. Metzkes wurde in den letzten Monaten einberufen, geriet in amerikanische Gefangenschaft und kehrte dann nach Bautzen zurück, um sein Abitur zu machen.

Lange dominierte die Farbe Schwarz

Über 40 Jahre später thematisiert der Maler seine Erinnerungen an den Krieg im Gemälde „Der Angriff“. Am Nachthimmel schimmern die Silhouetten der Flugzeuge, im Vordergrund flieht eine Gruppe Menschen den Berg hinauf. Die ersten gelangen ans Licht, die letzten bleiben im Dunkel. Reines Glück, wer diese Nacht überlebt.

Lange zog die Farbe Schwarz den Maler magisch an. Nach dem Studium in Dresden wollte er in Berlin eigentlich zum Bildhauer Gustav Seitz, wurde aber Meisterschüler von Otto Nagel. Später fragte er sich, ob der Griff „ins schwarze Fass, das Anreiben des Pulvers mit Öl dem Zug des Unbewussten unterworfen war“. Die schwarzen Konturen in den frühen Gemälden erinnern an Picasso und Beckmann. Mit Berliner Malerfreunden wie Manfred Böttcher oder Werner Stötzer setzte sich Metzkes vom Sozialistischen Realismus ab. Ein einziges Mal nahm er eine Auftragsarbeit an. Das Werk „Polytechnischer Unterricht“ entstand 1959 zum zehnjährigen Bestehen der DDR. „Das Zukünftige, ja Ideale dieser Entwicklung wurde wohl gar nicht begriffen“, nörgelte ein Kritiker. Tatsächlich beugen sich die Schüler mit tiefer Melancholie über den Betonmischer – und schafften es trotzdem auf eine 20-Pfennig-Briefmarke der DDR.

Inzwischen haben erdige Töne das Schwarz abgelöst. Bis heute gehören Cézanne und Courbet zu Metzkes Hausheiligen. Das lässt sich erkennen in den Stillleben, mit denen sich der Alltag in die Kunst schleicht. Die getragenen Schuhe, die Unordnung im Atelier, die Teekanne für die Pause. In den Nahaufnahmen gefriert die Bewegung, als ob sich der Künstler des Augenblicks vergewissern müsste.

Mutzkes malte seine Frau Elrid als geerdete Göttin

Ein weiterer Anker im Gesamtwerk sind die Porträts von seiner Frau Elrid. Metzkes lernte die Textilkünstlerin während des Studiums in Dresden kennen. Sie starb 2014. Ein ganzes Buch versammelt Bilder von Elrid als geerdeter Göttin. Die klare Schönheit des Gesichts mit den dunklen Augen ist auch in den Büsten des Sohnes zu finden, des Bildhauers Robert Metzkes. Im Trubel der Gruppenszenen bildet Elrid den ruhenden Pol. Die Kinder spielen, der Maler auf der Leiter hält nur mit Mühe das Gleichgewicht. Das Leben in der DDR hat Metzkes einmal mit dem Kippeln auf wackeligen Stühlen verglichen. Eins der schönsten Gemälde in der Ausstellung heißt „Stehen auf Erde und Schultern“ von 1988. Da balancieren Gaukler und Artisten auf den Schultern starker Frauen. Alles schwankt, doch bleibt die Gruppe stabil.

Liebe und Freundschaft werden bei Metzkes irgendwo zwischen Himmel und Erde verhandelt. Nach der Wende heben Flugobjekte vom Boden ab, Schirme, Sonnensegel, Drachen. Sturm biegt die Menschlein. Bei Harald Metzkes ist das Gleichgewicht zwar bedroht, bleibt aber stets gewahrt.

Zur Startseite