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Der Ermittler in "Zeit der Finsternis" kommt aus den Slums von Johannesburg.

© dpa / picture-alliance

Malla Nunns Roman "Zeit der Finsternis": Jazz zwischen Bretterbuden

Im Südafrika-Krimi "Zeit der Finsternis" zeigt Malla Nunn, wie das Unrechtssystem Privates politisch macht, sich in jede noch so kleine Geste frisst und die Psyche spaltet.

Emmanuel Cooper trägt ein Polizeiabzeichen auf der Brust, aber im Herzen ist er ein Kleinganove. Als Weißer in den Slums von Sophiatown bei Johannesburg aufgewachsen,murrt er nicht, wenn Kollegen sich in rassistischen Tiraden über Schwarze, Farbige oder Inder verlieren, aber innerlich tobt er. Im Südafrika der 50er Jahre ist er ein Mann zwischen Welten, die sich sonst nur noch mit dem Schlagstock begegnen.

Bisher drei Fälle hat die im südafrikanischen Bergkönigreich Swasiland geborene Malla Nunn ihren hardboiled detective ermitteln lassen. Was ihnen allen gemeinsam war: Die Wahrheit lag außerhalb dessen, was die Polizei aufzuklären versuchte – so auch in „Zeit der Finsternis“. Cooper wird in ein weißes Mittelschichtsviertel gerufen. Zwei junge Schwarze sollen in das Haus einer Familie eingebrochen sein. Sie haben die Eltern ermordet, um einen Mercedes zu klauen. Das ist die Geschichte, die die traumatisierte Tochter den Beamten auftischt: Sie kennt die beiden namentlich. Weitere Beweise? Braucht es nicht. „Ihr Wort war das Evangelium, und jeder Polizist mit Urlaubsanspruch würde begeistert nach ihrem Gesangbuch singen.“ Ein Verdächtiger ist der Sohn eines Zulu-Detektivs, dem Cooper einen Gefallen schuldet. Sie beginnen eigene, verdeckte Ermittlungen.

Das Buch lässt einen fassungslos und wütend zurück

Nunn geht es um persönliche Verstrickungen, auf der einen wie der anderen Seite. Cooper lebt am Rande von Johannesburg mit einer Farbigen zusammen, was nach den Gesetzen der Apartheid verboten ist. In einer ebenso nüchternen wie sinnlichen Sprache zeigt Nunn, wie das Unrechtssystem Privates politisch macht, sich in jede noch so kleine Geste frisst und die Psyche spaltet.

Die in Sydney lebende Autorin, die selbst als Kind gemischtrassiger Eltern geboren wurde, und deren Familie in den 70er Jahren vor den Auswüchsen der Apartheid nach Australien floh, verflicht die tragischen Erfahrungen ihrer Familie mit der Studie des historischen Traumas. Bastionen des gelebten Widerstandes, wie es Coopers Heimat Sophiatown war, erwachen zum Leben. Man begegnet der Gegenkultur, die gemeinsam mit dem südafrikanischen Jazz in illegalen Bars aufblühte und sich zwischen Bretterbuden und zerbröckelnden Häusern gegen das Regime aufstellte. Menschen mischen sich ungeachtet aller Strafen. Der Roman lässt einen fassungslos und wütend zurück. Weil man weiß, dass solche Orte der Begegnung spärlicher wurden.

1959 ließ die Regierung die Bewohner von Sophiatown umsiedeln, 1963 walzte sie das Township mit Bulldozern platt. „Triumph“ nannte sie das, was sie auf den Ruinen errichtete. Einen Ort, nur für Weiße.

Malla Nunn: Zeit der Finsternis. Roman. Aus dem Englischen von Laudan & Szelinski. Argument Verlag, Hamburg 2016. 304 Seiten, 13 €.

Giacomo Maihofer

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