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Kultur: Mannsbilder

Die Debüt-CD des Tenors Joseph Calleja

Wenn Plattenfirmen die erste CD eines neu unter Vertrag genommenen Künstlers an den Käufer bringen wollen, benutzen sie gerne die Formulierung von der „vielversprechenden“ Stimme. Joseph Calleja ist so einer, dessen strahlender Tenor sofort Kino im Kopf auslöst: Der maltesische Sänger klingt wie ein schmalschultriger Opernjüngling, wie der naive Held aus „La Traviata“, der sich in romantischem Überschwang einredet, er könne aus Liebe alle Barrieren bürgerlicher Moral überwinden. Kastanienbraun wie die Locken eines südländischen Beau ist Callejas Timbre, sein fein fokussiertes Piano signalisiert Sensibilität. Wenn er Verdis Melodielinien angeht, viril, aber nicht machohaft auftrumpfend (von ein paar unreif hingeklotzten Spitzentönen abgesehen), wenn er sich in Sehnsucht verzehrt, in lyrischer Emphase schmachtet, sieht man förmlich die dunklen Augen leuchten.

Dirigent Riccardo Chailly unterstützt diese Vision vom unerfahrenen Liebhaber mit Meisterhand, wenn er das „Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi“ wie elektrisiert spielen lässt: In der Stretta der Alfredo-Arie aus dem 2.Akt spürt man förmlich, wie der junge Mann am ganzen Körper vor Liebe zittert. Optisch allerdings hält Joseph Calleja nicht, was seine Stimme verspricht: Er ist ein bulliger Typ mit breiter Nase und hohem Haaransatz, ähnelt selbst auf den äußerst geschickt ausgeleuchteten Schwarzweiß-Fotos im Beiheft der CD (Decca) mehr einem Mafioso als einem Amoroso. Aus diesem Grund zierten früher Blumenstillleben die Schallplattenhüllen.

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