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Porträt: Maren Eggert - der Job des Lebens

Still und stark: Maren Eggert kommt mit Intendant Ulrich Khuon ans Deutsche Theater.

Die junge Frau lässt sich durch Marseille treiben, verpasst Busse, steht vor geschlossenen Kneipen. Statt Innenschau und Hollywood-Zufällen gibt es in Angela Schanelecs Film „Marseille“ von 2004 die Draufsicht auf ein ziemlich realistisches Leben, in dem am erstbesten Bartresen leider nicht der Mann oder wenigstens der Job des Lebens wartet. Und: Es gibt das Gesicht von Maren Eggert, die diese Frau spielt. Ein Gesicht, in dem es ständig arbeitet. Es öffnet das Deutungsspektrum, statt den Zuschauer in klar definierbare Empfindungen hineinzugängeln: Ein Glücksfall für alle, die Film und Theater als emotionale Anstalt verstehen, dennoch nicht vollständig ihre Hirnzellen an der Garderobe abgeben wollen.

Diese inneren Vulkanausbrüche bei tadelloser Fassadenwahrung faszinieren im Spiel von Maren Eggert, die jetzt mit dem neuen Intendanten Ulrich Khuon vom Hamburger Thalia Theater fest ans Deutsche Theater Berlin kommt. „Ich glaube, dass ich einfach das mitbringe – vielleicht schon als Person, auf jeden Fall als Schauspielerin", sagt die 35-Jährige. Jedenfalls spüre sie bei aller Emotionalität in der Arbeit einen enormen Drang zur äußeren Form: „Ich habe immer das Gefühl, wenn man so ungefiltert emotional ist, könnte das die Leute belästigen.“ Für Regisseure wie Michael Thalheimer, der das kuschelige Sentiment scheut wie der Teufel das Weihwasser, ist die gebürtige Hamburgerin damit geradezu prädestiniert: Ihre Gräfin Geschwitz in Thalheimers „Lulu“-Inszenierung darf man getrost als Sternstunde bezeichnen.

Ein Fall von Inkongruenz zwischen Schauspieler- und Zuschauerglück. „Ich habe diese Rolle gehasst!“, fällt Maren Eggert ein. „Das war bisher der einzige Mal, dass ich gesagt habe: Das spiele ich nicht!“ Die in Lulu verliebte und dauergedemütigte Geschwitz habe eine so schwache Position im Stück und werde von Wedekind so feindselig beschrieben, dass sie schon beim Lesen größte Schwierigkeiten hatte, erklärt Eggert. Geschweige denn beim Spielen: „Solche Beleidigungen und Kränkungen, die man als Figur auf der Bühne einsteckt, nimmt man ja auch nach der Vorstellung mit – zumindest als Energie.“ Fürs Parkett hingegen hätte Thalheimers Besetzungsprinzip gegen den Strich nicht besser funktionieren können: Wenn man die Geschwitz je ernst nahm, dann in dieser Inszenierung.

Ihre Regisseure können sich auf die Energie verlassen, die Maren Eggert gegen einfältige Frauenrollen und Weiblichkeitsklischees entwickelt. Auch wenn es sie – etwa als Amalia in Nicolas Stemanns Schiller-Inszenierung „Die Räuber“ – einige Probenkraft kostet. Es nerve enorm, auf das männliche Philosophieren über Gott, Politik und die Welt „immer nur Blödsinn antworten“ zu müssen: „immer langweilig, immer schwach, grundsätzlich emotional – den Tränen nahe.“

Da ist die offensiv mit der Welt fremdelnde Lotte aus Botho Strauß’ „Groß und klein“ ein anderes Kaliber: Als Ulrich Khuon Eggert 1998 in dieser Rolle am Schauspielhaus Bochum sah, wo sie als Absolventin der Münchner Otto-Falckenberg-Schule ihr erstes Engagement hatte, wusste er sofort, dass er sie ans Hamburger Thalia Theater holen wollte. Dort hat sie in neun Jahren in mehr als dreißig Produktionen unter zwanzig verschiedenen Regisseuren gespielt.

Eine besonders enge Arbeitsbeziehung zu einem bestimmten Regisseur, wie sie viele Kollegen pflegen, kam dabei nicht zustande. „Ich habe jahrelang gerätselt, warum mein Weg so anders ist“, denkt sie nach. „Natürlich ist es interessant, immer wieder neue Regisseure kennen zu lernen. Aber irgendwann fehlte mir die Kontinuität, war ich ermüdet, mich immer wieder neu einzulassen.“ Mit den Rollen sieht es ähnlich aus. Eggert springt hin und her zwischen keuschen Goethe-Teenies und Frauen, die – wie Blanche DuBois in „Endstation Sehnsucht“ – etwa infolge von Sexualdelikten ihre Jobs verlieren. Ihren Einstand am Deutschen Theater gibt Maren Eggert jetzt als Marie in Jorinde Dröses „Woyzeck“-Inszenierung.

Vielleicht liegt Eggerts Rollenvielfalt an ihrer Anti-Divenhaftigkeit: Verglichen mit anderen erfolgreichen Kollegen, drückt sie den Figuren weniger ihr Ego auf. Trotzdem steckt in jeder Rolle unverwechselbar Eggert, nur steht es nicht in Großbuchstaben drauf. Eine Rollenkonstante gibt es in Maren Eggerts Leben trotzdem: die Polizeipsychologin Frieda Jung im Kieler „Tatort“. Diese unkonventionelle Kollegin mit Hang zu leicht altmodischen Klamotten spielt sie seit sieben Jahren – und hat immer noch Schwiergkeiten damit, dass sie seither in Fernsehinterviews ständig erzählen soll, was sie zum Frühstück isst, ob sie Axel Milberg attraktiv findet, der im „Tatort“ den verquer-kauzig an seiner Kollegin interessierten Kommissar Borowski spielt. Und ob daheim sie oder ihr Lebensgefährte, der Schauspieler Peter Jordan, aufräumt. „Ich denke sowieso, dass es nicht wahnsinnig spannend ist, was ich über die Welt zu sagen habe“, gesteht sie völlig unkokett. Diese Sorge ist unbegründet. In einem Punkt hat Maren Eggert recht: „Wenn ich über Rollen reden soll, denke ich immer: Am besten angucken! Denn da packe ich alles hinein."

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